Fallon, Jennifer - Gezeitenstern Saga 1 - Der unsterbliche Prinz
beunruhigt von der Geschwindigkeit, mit der sich die Neuigkeiten verbreiteten.
Lord Deryon zuckte die Achseln. »Declan Hawkes hat es erwähnt. Man sagt ja, alles Unglück kommt dreifach.«
Mit einem dünnen Lächeln schüttelte Stellan den Kopf. »Dann wage ich gar nicht daran zu denken, was als Nächstes geschehen wird.«
Er schickte sich an zu gehen, doch Deryon rief ihn zurück. »Lord Desean!«
»Gibt es noch etwas?«, fragte er über die Schulter.
»Was ich eben über gewisse Geheimnisse sagte – das meine ich ernst.«
Einen Augenblick lang zögerte der Fürst, dann nickte er und drehte sich wieder zu Deryon um. Jetzt, darüber waren sich beide Männer im Klaren, ging es nicht mehr um die wilden Eskapaden des Thronerben von Glaeba. »Ich weiß Eure Nachsicht zu schätzen, alter Freund.«
»Dann nehmt von einem alten Freund einen guten Rat an, Mylord. Lasst die Frage Eurer Thronfolge nicht länger im Ungewissen.«
»Kylia Debrell ist das einzige Kind meiner verstorbenen Schwester«, erinnerte Stellan den Sekretär. »Der gültigen Erbfolge nach ist gegenwärtig sie meine rechtmäßige Erbin.«
»Mein Freund, das kann doch allenfalls eine Überbrückungslösung sein. Vor allem angesichts der Tatsache, dass Ihr eine Gemahlin habt, die ohne Weiteres in der Lage ist, Euch einen Erben zu schenken. Es ist jetzt sechs Jahre her, dass Ihr die Tochter Eures Leibarztes zur Frau genommen habt, und ich erinnere mich noch gut an Eure elegante und überzeugende Argumentation, als Ihr Enteny batet, diese Eheschließung zu billigen. Eure leidenschaftlichen Reden, wie die Alten Familien von etwas neuem Blut profitieren würden; wie Eure reizende, kluge Gemahlin von einfacher Herkunft neue Vitalität in das Geschlecht der Deseans bringen wird …« Deryon seufzte und breitete in einer Geste der Hilflosigkeit die Arme aus. »Der König liebt Euch wie einen Bruder, Stellan, und Eure Gemahlin betet er geradezu an, wie Ihr wisst – aber allmählich wird er ungeduldig.«
»Es wird einen Thronfolger geben, Karyl«, versicherte ihm Stellan.
»Ihr seid ein Stammhalter der Alten Familien, Stellan. Wenn Arkady Euch nicht bald einen Sohn schenkt, wird der König gezwungen sein, eines von zwei möglichen Dingen zu tun. Entweder wird er annehmen, dass Arkady unfruchtbar ist, und Euch zwingen, sie aufzugeben und Euch eine fruchtbare Gemahlin zu suchen, oder er wird anfangen, sich Gedanken zu machen, ob es noch einen anderen Grund gibt, warum Ihr sie bislang nicht geschwängert habt.«
Deryon drohte ihm nicht, das wusste Stellan. Vielmehr mahnte er ihn beizeiten, an eine gern verdrängte, aber folgenschwere Pflicht seines Standes zu denken. »Ich rede mit Arkady, Karyl. Das verspreche ich Euch. Sobald ich nach Hause zurückgekehrt bin.«
»Bitte versteht mich richtig, ich erwähne das nur aus Besorgnis um Euch, Stellan, und um Eure reizende Gemahlin.«
Der Fürst nickte ruhig, er zweifelte nicht an Deryons ehrenhaften Absichten. »Ich weiß Eure Diskretion wirklich zu schätzen.«
Karyl Deryon lächelte müde. »Apropos Diskretion – Ihr werdet doch versuchen, Mathu so schnell und so diskret zurückzubringen wie nur möglich, nicht wahr?«
»Tue ich das nicht immer?«
»Der König wird Eure Loyalität eines Tages angemessen würdigen, Lord Desean.«
»Mir wäre es lieber, er erfährt erst gar nicht davon«, erwiderte Stellan mit einem schiefen Lächeln. »Um aller Beteiligten willen.«
Declan Hawkes erwartete Stellan in der Seemannsklause unten am Hafen, einer Taverne direkt gegenüber dem Bordell, wo der Kronprinz von Glaeba mit einer Handvoll Freunde abgetaucht war. Es waren immer noch ein paar Stunden bis Mitternacht, und in den Tavernen herrschte Hochbetrieb. Aus allen offen stehenden Türen und Fenstern am Hafen ertönten Gelächter, Musik und die Geräusche von Kneipenschlägereien.
»Hütet Euch bloß vor den Freuden der Absteige Zum blanken Spanten, Euer Gnaden«, merkte Declan Hawkes an, als Stellan ihm gegenüber auf die Bank glitt. Sie saßen in einer Nische am Fenster mit Blick zur Straße. Declan gab dem Wirt ein Zeichen, ihnen Ale zu bringen, und wenig später knallte eine erschöpft aussehende Weibsperson einen schäumenden hölzernen Bierkrug vor dem Fürsten auf den Tisch. Stellan rührte ihn nicht an. Ale war nicht das Getränk seiner Wahl. Durch die verschmierten Fensterscheiben ließ sich das heruntergekommene Gebäude, in dem sich das verrufene Etablissement befand, kaum erkennen.
»Zum blanken
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