Fallon, Jennifer - Gezeitenstern Saga 2 - Die Goetter von Amyrantha
an diesem kranken Spiel?«
Um Arkadys willen konnte Stellan es sich nicht leisten, diese Frage ehrlich zu beantworten. Als seine Komplizin traf sie dieselbe Schuld wie ihn. Es wäre sicherer für sie, wenn die Leute dachten, dass er sie genauso getäuscht hatte wie den Rest der Welt.
»Ich hielt Euch für einen besseren Menschenkenner, Mathu. Und ich hatte gehofft, dass Ihr ein besserer König sein würdet.«
»Ihr könnt denken, was Ihr wollt, Stellan«, meinte Mathu achselzuckend. »Wie man sich bettet, so liegt man. Diese Grube habt Ihr Euch selbst gegraben. Jetzt könnt Ihr drin liegen. Und zwar allein.«
Mathu erhob sich und rief nach den Wachen, die offenbar nur auf seinen Befehl gewartet hatten.
Bevor er protestieren konnte, war Stellan verhaftet und wurde in Schande aus dem Thronsaal abgeführt. Was ihn erwartete, war kein Ehrenposten an der Seite seines Königs, sondern eine ungewisse Zukunft und eine falsche Anklage.
Mit hoch erhobenem Kopf ging er davon, seine Welt in Trümmern, die Seele in Fetzen, und versuchte, sich nicht länger mit dem Gedanken aufzuhalten, dass er verraten worden war. Nicht nur von seinem König und seiner Nichte, sondern von dem einen Menschen auf der Welt, von dem er geschworen hätte, dass er ihn liebte.
40
Declan und Nyah hatten es fast durch die Stollen geschafft, nur noch wenige Stunden trennten sie von der Oberfläche. Da erwischte sie ein Erdrutsch.
Die Katastrophe kam völlig unerwartet, ohne jede Warnung. Gerade suchten sie sich noch ihren Weg durch einen breiten und scheinbar sicheren Tunnel, die Fackel flackerte gleichmäßig im Gehen, Nyah plapperte munter von ihrem Pony oder etwas ähnlich Banalem, sodass Declan gar nicht genau zuhörte ... und dann erscholl plötzlich ein lautes Krachen wie von einem umstürzenden Baumstamm, und der Tunnel um sie herum explodierte zu einem einzigen Albtraum.
Ihnen blieben nur wenige Sekunden, und es reichte bei Weitem nicht, um sich in Sicherheit zu bringen, selbst wenn man hätte sagen können, aus welcher Richtung das Getöse kam. Declan warf die Fackel beiseite, packte die hysterisch schreiende Nyah und stieß sie zu Boden, um ihren Körper mit seinem zu bedecken. Die Fackel erlosch und wurde unter dem Staub begraben. Und Nyahs Schreie verstummten, sobald sie auf dem Boden aufschlug, oder wurden übertönt, denn nun war alles, was Declan noch hören konnte, eine Kakofonie niedergehender Felsbrocken. Eine so dichte Staubwolke erfüllte die Dunkelheit, dass er das Gefühl hatte, reinen Fels einzuatmen. Gesteinsbrocken hagelten auf seine Arme und sein Bündel nieder, während er sich über seine kostbare Schutzbefohlene kauerte, bis von der Belastung seine Knie nachzugeben drohten. Nyah lag still und widerstandslos unter ihm und überraschte Declan mit ihrem Gleichmut in einer solchen Katastrophe.
Obwohl es ihm wie eine Ewigkeit vorkam, konnte es nur wenige Minuten gedauert haben, bis keine Gesteinsbrocken mehr fielen, und dann verhallte der donnernde Widerhall des Erdrutsches in der Ferne.
Declan hustete Staub und tastete auf dem Tunnelboden herum, bis er die Fackel wiederfand. Zum Glück war Nyah immer noch still. Er schüttelte den Staub von der Fackel und tastete in seiner Tasche nach dem Flintstein, um sie wieder anzuzünden. Nach einigen Fehlversuchen begann die Fackel zu brennen. Declan hob sie hoch und blickte um sich. Zu seiner unsagbaren Erleichterung sah er, dass der Durchgang immer noch offen war. Der Einsturz war genau hinter ihnen gewesen, der Rückweg fast ganz verschüttet. Doch der Weg vor ihnen wirkte noch passierbar.
Wieder hustete er Staub aus seinen Lungen und wandte sich zu Nyah um. »Gezeiten, war das vielleicht knapp!«
Sie antwortete nicht. Und sie bewegte sich auch nicht mehr, lag einfach nur da, die Augen geschlossen, der Körper schlaff an der Felswand.
»Nyah?«
Als sie nicht antwortete, klemmte Declan die Fackel zwischen niedergefallenes Geröll und schüttelte sie sanft. »Nyah? Es ist vorbei. Du kannst die Augen aufmachen.«
Immer noch reagierte sie nicht. Zuckte unter seiner Berührung nicht einmal zusammen.
»Oh nein, das tust du mir nicht an, du verflixte Göre«, sagte er und versuchte, die Panik zu unterdrücken, die jetzt in seinem Magen aufstieg. Er fühlte unter ihrem Ohr nach dem Puls, und nach einem bangen Augenblick fand er ihn. Zwar war er schwach und unregelmäßig, aber er war noch da.
Aber als er seine Hand wegzog, war sie klebrig von Blut.
»Nein, nein ... nein
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