Fallon, Jennifer - Gezeitenstern Saga 2 - Die Goetter von Amyrantha
er dem Weg der Gezeiten folgen.
Auf die eine oder andere Weise muss er trotzdem zur Karawane stoßen, folgerte sie. Aber wahrscheinlich erst in letzter Minute.
Tiji schob sich durch die Menge und stieg die Treppe zum Tempel hinauf, wo der Bruder, mit dem sie am Tag zuvor gesprochen hatte, stand und das Chaos beaufsichtigte.
»Ah! Da bist du ja.«
»Hattet Ihr Grund zu der Annahme, ich würde nicht kommen?«, erkundigte sich Tiji und hoffte, dass sie gebieterisch klang. Sie fühlte sich unter dem Schleier mehr als albern.
»Du bringst mir ein zweischneidiges Schwert, Crasii«, sagte der Mönch. »Eine Botschaft großer Hoffnung, überbracht von einer Missgeburt. Ich habe gemischte Gefühle.« Er lächelte schwach und deutete auf eine andere verschleierte Gestalt, die hinter ihm im Schatten der Säulen stand, einen kleinen Beutel und einen vollen Wasserschlauch zu ihren Füßen, das einzige Gepäck, das man Sklaven auf einer Reise wie dieser gestattete. »Ich habe dennoch die Dienerin, um die du gebeten hast. Wenn die Damen dann hier warten wollen. Ich lasse euch von den Kameltreibern Bescheid geben, wenn es Zeit zum Aufbruch ist.«
Beiden Gezeiten, er hat mir geglaubt!, war Tijis erste Reaktion darauf, dass sie nun ihre eigene Dienerin hatte. Sie verbeugte sich vor dem Mönch und blickte nochmals flüchtig über den Vorplatz in der vergeblichen Hoffnung, Cayal zu entdecken. Dann ging sie hinüber in den Schatten, um ihre neue Begleiterin zu begrüßen.
Die Sklavin war mehr als einen Kopf größer als sie. Tiji sah zu ihr auf und begegnete ihrem Blick. Die verschleierte Frau musterte sie einen Augenblick, dann weiteten sich ihre Augen vor Schreck.
»Tiji?« zischte sie. »Bei den Gezeiten! Was machst du denn hier? Ich dachte, du bist zu Declan zurückgereist.«
»Euer Gnaden?« Tiji warf rasch einen Blick über ihre Schulter. Niemand achtete auf sie. Doch Arkadys Anwesenheit hier war eine Komplikation, die sie weder wollte noch brauchte. »Euer Gnaden, Ihr könnt nicht mitkommen.«
»Ich bin nicht aus freien Stücken hier, Tiji.«
Die kleine Crasii runzelte die Stirn und wünschte, sie könnte dem Gesichtsausdruck unter dem lästigen Schleier der Fürstin etwas entnehmen. »Wenn es wegen Cayal ist ...«
»Cayal? Was hat Cayal damit zu tun? Weißt du es denn noch nicht? Es gibt einen Haftbefehl gegen mich.«
Tiji starrte sie an und erinnerte sich, was Dashin Deray ihr über die Anschuldigungen gegen den Fürsten von Lebec erzählt hatte. »Das erklärt noch nicht, was Ihr hier macht, Mylady, bei einer Karawane, die die Wüste durchquert, um dem Weg der Gezeiten zu folgen.«
»Ich bin hier, weil Kinta mir so die Möglichkeit bietet, Jaxyn zu entkommen.«
»Indem sie Euch zu Brynden schickt? Ein zweifelhaftes Vergnügen.«
»In diesem besonderen Fall, Tiji, gehe ich lieber in die Hölle, die ich nicht kenne, als in die, die ich kenne. Was machst du hier überhaupt? Kinta sagte, ich würde mich als Dienerin einer glaebischen Diplomatin ausgeben.«
»Das bin ich. Ich habe mich der Karawane angeschlossen, um Cayal zu folgen.«
Arkady schwieg einen Augenblick. Dann fragte sie: »Cayal ist hier?«
Die Crasii schüttelte den Kopf. »Noch nicht. Aber ich erwarte ihn.«
Arkady schloss die Augen, machte sie wieder auf und sah Tiji direkt an. »Ich glaube, ich bin zum ersten Mal, seit ich hierher gekommen bin, froh über diesen verflixten Schleier.«
»Das sind wir beide, Euer Gna... Gezeiten noch mal, ich kann Euch nicht weiterhin so nennen. Und >Arkady< ist vermutlich auch keine so gute Idee, wenn man bedenkt, dass Ihr auf der Flucht seid und die Glaebaner Euch jagen und der unsterbliche Prinz wahrscheinlich jeden Augenblick hier auftaucht.«
»Nenn mich Kady.« Sie lächelte. Das konnte Tiji an ihren Augen erkennen, obwohl der Schleier den Rest ihres Gesichts verdeckte. »So hat Declan mich genannt, als wir Kinder waren.«
»Das ist Eurem richtigen Namen aber furchtbar ähnlich.«
»Aber es ist ein Name, auf den ich wahrscheinlich höre, ohne darüber nachzudenken«, sagte sie, was Tiji wieder einmal daran erinnerte, dass diese Frau nicht von gestern war. »Unsere List fliegt sofort auf, wenn ich nicht auf meinen eigenen Namen reagiere.«
Mit einigem Unbehagen musste Tiji zugeben, dass das ein Argument war. Sie kam jedoch nicht dazu, es auszusprechen, weil in diesem Moment der Mönch mit dem Anführer der Kameltreiber zurückkam, um die beiden Frauen in die Feinheiten des Reitens auf einem Kamel quer
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