Fallon, Jennifer - Gezeitenstern Saga 2 - Die Goetter von Amyrantha
unterworfen zu sein muss ihn mächtig fuchsen.« Sie runzelte gedankenverloren die Stirn, dann sah sie zu Declan auf, der mehr als einen Kopf größer war. »Wisst Ihr was? Selbst wenn das nicht ausdrücklich sein Plan wäre, bin ich trotzdem in Versuchung, es zu vereiteln, schon aus Prinzip.«
Declan starrte sie an. »Und wie? Indem Ihr ihn mit Gewalt aus dem Gefängnis befreit?«
Tilly schürzte einen Augenblick die Lippen und nickte dann. »Das würde die Dinge doch herrlich verkomplizieren.«
»Findet Ihr nicht, dass mit der verschollenen Kronprinzessin von Caelum die Dinge schon kompliziert genug sind?«
»Er ist ein Freund, Declan.«
»Er ist Euer Freund, Tilly. Nicht meiner.«
Ihre Augen verengten sich zu kleinen Schlitzen, als sie ihn anfunkelte. »Ich verstehe. Ihr wollt wegen Arkady nicht eingreifen, oder?«
»Wollt Ihr damit unterstellen, dass ich ihn hinrichten lassen will, weil ich eifersüchtig bin?«
»Seid Ihr es?«
»Das ist beleidigend, Tilly.«
Sie lächelte. »Stimmt, und es tut mir leid. Ihr würdet Euch bei einer Angelegenheit von solcher Tragweite niemals von etwas so Profanem beeinflussen lassen. Das weiß ich. Dann erklärt mir, warum wir ihm nicht helfen sollen.«
»Wir würden nur Aufmerksamkeit auf die Bruderschaft lenken. Ihr habt es da drinnen vorhin selbst gesagt. Wenn die Gezeitenfürsten abgelenkt sind, wären wir aus dem Schneider und könnten viel länger ungestört operieren. Wenn wir Desean aus dem Kerker holen, können wir auch gleich einen Laden in Herino aufmachen und ein Schild aufhängen, dass wir jetzt wieder im Geschäft sind.«
»Könnt Ihr denn nicht irgendetwas tun, ohne dass die Bruderschaft mit hineingezogen wird?«
Declan zögerte und nickte schließlich sehr widerwillig. »Vielleicht.«
»Und werdet Ihr auch etwas tun?«
»Befehlt Ihr es mir als Hüterin der heiligen Überlieferung, oder bittet Ihr mich um einen Gefallen?«
»Nur ein Gefallen, Declan, nichts weiter. Stellan Desean ist ein guter Mann. Er hat das nicht verdient.«
Er sah auf sie herunter und schüttelte den Kopf. »Ich kann nichts versprechen, Tilly. Und ich bringe auch keinen meiner Leute für ihn in Gefahr. Aber ich will sehen, was ich tun kann.«
»Das ist alles, worum ich Euch bitte, mein Lieber.« Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und küsste ihn auf die Wange. »Und lasst uns das für uns behalten, ja?«
»Angst, dass der große Ryda Tarek nicht einverstanden ist?«
»Ihr solltet Euch nicht über ihn lustig machen, Declan. Ryda ist ein loyales Mitglied der Bruderschaft. Und er weiß so viel über die Gezeitenfürsten, dass es mir in seiner Nähe geradezu peinlich ist, mich Bewahrerin der Überlieferung zu nennen. Ihr könntet eine Menge von ihm lernen.«
»Er will, dass wir ihnen helfen, die Kontrolle zu erlangen, Tilly.«
»Nur so weit, wie es uns nützt.«
»Seid Ihr Euch da ganz sicher?«
»Aus welchem anderen Grund, außer um unsere Sache voranzutreiben, sollte er sie sonst unterstützen? Kein Sterblicher, der die Gezeitenfürsten so gut kennt und versteht wie er, würde anders handeln.«
Tillys Logik war vernünftig, aber das änderte nichts an Declans instinktivem Gefühl, dass irgendetwas mit Ryda Tarek nicht stimmte.
»Wenn Ihr es sagt.«
»Und ob. Jetzt holt Euch etwas zu essen, und dann lasst uns wieder hineingehen und im Namen der Gezeiten einen Plan ausarbeiten, was wir als Nächstes tun.«
48
Nachdem Tiji Cayals Gespräch mit dem Mönch beim Tempel vom Weg der Gezeiten belauscht hatte, hielt sie es für angezeigt, zur Gesandtschaft zurückzukehren und ihre Sachen zu holen. Cayals Absichten waren ja nun offenkundig. Er suchte nach Brynden, auch wenn Tiji keine Ahnung hatte, warum. Brynden aufzustöbern hieß zunächst, seine Abtei zu finden. Sogar die Bruderschaft hatte von den Gerüchten gehört, dass er sich in die Wüste verkrochen hatte und als Ordensbruder seiner eigenen Sekte ausgab. Es war mehr als wahrscheinlich, dass auch Cayal das wusste und plante, sich der monatlichen Karawane vom Tempel anzuschließen, um ihn zu finden.
Als sie zur glaebischen Gesandtschaft zurückkehrte, fand sie das Haus in Aufruhr vor. Überall standen Wachen und zusätzlich eine neue Schwadron Feliden, die vor ein paar Tagen noch nicht da gewesen war, als Tiji Cayal zum ersten Mal erspäht hatte. Sie drängte sich durch das Chaos in den Räumen und Gängen und stieß schließlich auf Dashin Deray. Er saß in Fürst Stellans Arbeitszimmer und ging den Inhalt
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