Fallon, Jennifer - Gezeitenstern Saga 2 - Die Goetter von Amyrantha
dass es prekär war, hier mehr oder weniger allein mit Cayal zu sein, fühlte sie sich zwar entkräftet, schmutzig und sandig, aber andererseits auch zum ersten Mal wieder sicher, seit Stellan Ramahn verlassen hatte. Es war nicht ungefährlich, dass sie sich solche Empfindungen leistete. Cayal war nicht ihr Ritter in schimmernder Rüstung. In Wirklichkeit saß sie mitten in einem Sandsturm in einer längst vergessenen Ruine fest, ringsum nichts als die torlenische Wüste, und ihre Gesellschaft bestand aus einem bekennenden Massenmörder. Einem Massenmörder, der sich nicht entscheiden konnte, ob er sie liebte oder hasste.
Wie kannst du dir nur einbilden, dass du hier mit Cayal sicher bist?, fragte sie sich streng.
»Wie lange können wir hierbleiben?«
Als könnte er ihre Gedanken lesen, streckte er die Hand aus und streichelte ihre Wange mit einer Geste, die ebenso zärtlich wie gefährlich war. »So lange du willst. Die Zisternen sind voll, und die Lastkamele haben das meiste von eurer Karawanenausrüstung noch an den Sätteln vertäut.«
So lange du willst, hatte er gesagt. Nicht etwa, so lange es nötig ist. Arkady überlegte, ob das ein Versprecher war, eine Warnung, oder ob sie in seine Aussage zu viel hineininterpretierte.
Dann begriff sie, was Cayal noch gesagt hatte. »Zisternen?«
Er nickte. »Diese Anlage wird von einer unterirdischen heißen Quelle versorgt. Schon immer. Bryndens einziges Zugeständnis an Luxus: seine Bäder.«
Arkady bekam große Augen, und das nicht nur, weil sie eine Möglichkeit sah, sich Cayal zumindest eine Zeit lang zu entziehen. »Es gibt Bäder hier? Und sie sind voll?«
»Unten auf der nächsttieferen Ebene«, sagte er, während Arkady bereits aufsprang. »Soll ich sie dir zeigen?«
Arkady antwortete nicht. Sie hörte nicht einmal mehr, wie er sie zurückrief. Sie schnappte sich eine Fackel von der Wand und hastete zu dem höhlenartigen Kellereingang und den dahinter liegenden dunklen Hallen.
Gezeiten, es gibt Bäder, gleich hier. Heiße Bäder. Sie brauchte keine Führung. Arkady war so hingerissen von der unverhofften Gelegenheit, endlich wieder sauber zu sein - und zugleich einem Vorwand, Cayals verstörender Gegenwart zu entkommen -, dass sie überzeugt war, die Bäder notfalls nur mit ihrem Geruchssinn zu finden.
Wie sich herausstellte, war es tatsächlich ihr Geruchssinn, der sie zu den Bädern führte. Die leicht schweflige warme Quelle auf der unteren Ebene sprudelte durch eine angestoßene tönerne Rohrleitung in mehrere große Becken, die trotz der Wüstenhitze regelrecht dampften. Die Quelle entsprang aus einer Felswand, die durch Tausende von Jahren fallenden Wassers völlig glatt gewaschen war. Unter der Felswand strömte das Wasser über eine Reihe von Stufen, die Menschen angelegt hatten, und die im ersten Becken endeten. Die Fackel gab nicht genug Licht, um über das erste Becken hinaus etwas zu erkennen. Dass die anderen Bassins sich über die gesamte Fläche des riesigen niedrigen Kellergewölbes erstreckten, fühlte sie mehr, als dass sie es sah.
Als sie sich umschaute, entdeckte sie zu ihrer Rechten eine Halterung an der Wand. Sie langte hinüber und steckte die Fackel hinein. Dann eilte sie die Stufen hinauf zum Wasserquell, noch immer in ihre vom Sturm zerfetzten Lumpen gehüllt. Von Weitem konnte sie hören, wie Cayal nach ihr rief, doch sie achtete nicht darauf. Sie schloss die Augen, presste ihr Gesicht an den warmen Felsen und ließ das Wasser über sich strömen.
Es verging nur eine kurze Zeit - kaum genug, um dieses unerwartete Geschenk zu genießen -, bis Cayal ihren Arm packte, sie umdrehte, damit sie ihn ansah, und sie dann an sich zog. »Lauf mir nicht so davon.«
Arkady war triefend nass. Das Wasser stürzte über sie beide wie eine heiße, enge Umarmung. Er war zu nah. Zu erdrückend. Der Keller war dunkel und dampfte. Das flackernde Licht der Fackel brach sich in unzähligen Regenbogen, als es auf die Tröpfchen traf, die Cayals dunkles Haar bedeckten.
Erst vor wenigen Stunden hatte er Tiji bewusstlos geschlagen, weil sie eine Ark war, und eine ganze Gruppe von Leuten sterben lassen, weil er nicht mehr genug Menschlichkeit besaß, um sie zu retten, rief sie sich ins Gedächtnis. »Lass mich los.«
»Ich will dir doch nichts antun, Arkady.«
»Du kannst gar nicht anders, Cayal«, sagte sie und versuchte sich loszumachen.
»Aber ich habe dich gerettet. Und dein verdammtes Haustier.«
»Warum? Weil du mich liebst? Das glaube ich
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