Fallon, Jennifer - Gezeitenstern Saga 3 - Der Palast der verlorenen Traeume
hier. Darauf kommt's doch an.«
Wieder nickte Pellys gemächlich, dann wandte er sich Cayal zu, um ihn zu betrachten, und ein gewaltiges Grinsen erhellte sein Gesicht. »Du bist pitschenass.«
»Ja … komisch eigentlich.«
Seine Augen strahlten jetzt. »Wollen wir Schiffe versenken? Es gefällt mir so, wie die Leute herumwuseln, wenn man ihre Schiffe versenkt. Wie Ameisen.«
Cayal seufzte. Wieso nur war er immer wieder aufs Neue verdutzt, dass Pellys sich kein Stück verändert hatte, seit ihre Wege sich zum letzten Mal gekreuzt hatten? Ein Geistesriese war er schon seinerzeit nicht gewesen, bevor er ihn geköpft hatte, aber jetzt …
Pellys besaß keinerlei Gedächtnis, nur diese infantile Unschuld, gepaart mit der Macht eines Gezeitenfürsten. Pellys die Erinnerungen zu nehmen war so leicht gewesen. Was sie nicht bedacht hatten, war die Existenz eines Gezeitenfürsten mit dem Bewusstsein eines Neugeborenen und der Macht, ganze Kontinente zu zerstören. Bei dem Prozess von Pellys’ magischer Regeneration war Magreth im Ozean versunken. Ob ich Glaeba auch so zerstört hätte, fragte sich Cayal, wenn sie mich geköpft hätten, statt mich zu hängen?
Hätte Arkady überlebt?
Vor dem Hintergrund ihres derzeitigen Schicksals wäre sie vielleicht besser dran, wenn man ihn erfolgreich geköpft hätte. Sie wäre höchstwahrscheinlich tot, aber selbst das würde sie der Sklaverei vermutlich vorziehen. Aber es war sinnlos, sich zu fragen, was vielleicht gewesen wäre. Die Entscheidung, ob er Arkady ihrem Schicksal überlassen sollte, war ihm soeben aus der Hand genommen worden.
Jetzt, wo die Gezeiten unerbittlich anstiegen und Pellys bereits von Massenmord auf See fantasierte, war für Cayal klar, dass er ihn schleunigst hier wegbringen musste.
Er musste ihn an einen sicheren Ort bringen; irgendwohin, wo er nur minimalen Schaden anrichten konnte. Wenn mit der steigenden kosmischen Flut die Macht der Gezeitenfürsten wiederkehrte, ging das nie ohne Schwierigkeiten ab. Schon ohne dass jemand wie Pellys herumlief und mutwillig Zerstörung anrichtete, einfach aus purem Vergnügen daran, andere sterben zu sehen.
Cayal wurde unvermittelt klar, dass die Frage gar nicht war, wohin er Pellys bringen sollte, sondern zu wem. Lukys war lange vor Pellys da gewesen. Er würde wissen, wie er mit ihm umgehen musste; wie er ihn zerstreuen konnte.
Womöglich hatten sie sogar Verwendung für ihn. Schließlich hatte Lukys gesagt, dass die Kraft von mehreren Gezeitenfürsten erforderlich war, um die Magie zu schaffen, die Cayals schales Leben beenden würde. Brynden würde ihm ganz sicher nicht helfen – Cayal fragte sich, wie er das je hatte annehmen können –, und lieber verbrachte er den Rest der Ewigkeit in Qualen, als sich von Tryan helfen zu lassen. Elyssa kam auch nicht in Frage, denn es gab nur ein Erfolg versprechendes Mittel, um ihre Mitarbeit zu erwirken – und das wollte Cayal sich möglichst nicht antun, nicht mal um den Preis seines ersehnten Todes.
Vielleicht war es nicht bloß ein dummer Zufall, dass er über Pellys gestolpert war. Wenn er Pellys mitnahm in die Wüste zu Lukys, und wenn der dann mit Kentravyon aus Jelidien zurückkam, hatten sie alle zusammen vielleicht genug magische Kräfte, um die Sache durchzuziehen und Cayal von dem Leben zu erlösen, das er so verzweifelt satthatte.
»Ich habe eine bessere Idee«, sagte er. »Gehen wir doch Lukys besuchen.«
»Weißt du, wo er ist?«
Cayal nickte. »Er hat eine Villa, gar nicht weit von hier. Es gibt da sogar Goldfische.«
6
Sie begruben Shalimar an einem frostigen Morgen am Berghang, einen Tag, nachdem er gestorben war. Eine schlichte Holzplanke, in die Nyah ungelenk seinen Namen geschnitzt hatte, bezeichnete seine letzte Ruhestätte.
Die kleine caelische Prinzessin weinte, als Declan und Stellan die Leiche des alten Mannes in das Grab hinabsenkten, und bestand darauf, das caelische Totengebet zu sprechen, eine deprimierende Ode an den Gezeitenstern voller Andeutungen über die Möglichkeit eines Lebens nach dem Tode – wäre Shalimar bei seinem Begräbnis lebendig zugegen gewesen, hätte er dafür nur Verachtung gehabt.
Aber Declan sagte nichts. Das kleine Mädchen war noch nie mit dem Tod konfrontiert worden. Ihr eigener Vater war gestorben, als sie noch ein Kleinkind war, und sie besaß keinerlei Erinnerung an ihn oder an die mit seinem Hinscheiden verbundenen Rituale, die ihr durch diese Erfahrung hätten helfen können. Er spürte, dass
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