Fallon, Jennifer - Gezeitenstern Saga 3 - Der Palast der verlorenen Traeume
Nyah das Gefühl brauchte, etwas Wichtiges beizutragen, oder vielleicht auch nur die Zeit, sich zu verabschieden. Jedenfalls ließ er sie sprechen und verkniff sich jeden Kommentar.
Als die Formalitäten erledigt waren, trottete Nyah leise schluchzend über den Pfad zum Häuschen zurück, während Stellan und Declan blieben, um das Grab zuzuschaufeln. Declan fiel partout nichts ein, was er sagen konnte, um den Kummer des kleinen Mädchens zu lindern. Er sah ihr nach und fragte sich, warum das Kind – das seinen Großvater nur wenige Monate gekannt hatte – über seinen Tod erschütterter schien als er selbst, sein leiblicher Enkel. Seine Augen waren trocken geblieben.
»Sie hatten sich ziemlich angefreundet, sie und der alte Mann.« Stellan warf eine Schaufel Erde auf Shalimars in Leintücher gewickelte Leiche. Er hatte wohl erraten, in welche Richtung Declans Gedanken gingen.
Declan wandte sich wieder dem Erdhaufen neben dem Grab zu, das sie am Vortag ausgehoben hatten, und stieß den Spaten heftig in den kalten Boden. »Sie kannte ihn kaum.«
»Ist das eine Voraussetzung für Trauer? Wie lange man jemanden kennt?«
»Wohl nicht«, sagte Declan und schaufelte einen weiteren Spaten Erde in das Grab.
Eine Weile arbeiteten sie schweigend in der kühlen Bergluft, und nur das rhythmische Aufschlagen der Erdschollen durchbrach die Stille. Als die Grube etwa halb voll war, machte Stellan eine Pause, lehnte sich auf den Griff seines Spatens und wischte sich den Schweiß von der Stirn.
»Nicht an harte körperliche Arbeit gewöhnt?«, fragte Declan, der weiterschaufelte.
»Kann man nicht sagen, nein«, gab Stellan zu. »Obwohl ich, seit ich hier zu Gast bin, ihren Wert schätzen gelernt habe.« Er lächelte matt. »Dieser Brennholzstapel ist nicht allein Euer Werk, müsst Ihr wissen.«
Declan legte seinen Spaten beiseite und griff nach dem Wasserschlauch. »Ihr klingt immer noch wie der Gutsherr persönlich.«
»Wirklich?«
»Ihr könnt eben nicht heraus aus Eurer Haut.« Declan warf ihm den Wasserschlauch zu und hob seinen Spaten wieder auf. »Und es ist ansteckend. Arkady war höchstens einen Monat mit Euch verheiratet, als sie anfing, genauso zu reden.«
Stellan nahm einen langen Zug aus dem Wasserschlauch und wischte sich den Mund mit dem Handrücken ab, bevor er antwortete. »Ihr tut Euch schwer damit, nicht?«
Declan zuckte die Schultern und schaufelte weiter Erde über seinen Großvater, von dem schon keine Spur mehr zu sehen war. »Arkady kann reden, wie sie will.«
»Ich meine, dass ich Arkady geheiratet habe.«
»Arkady steht es auch frei, zu heiraten, wen sie will.«
»Aber glücklich seid Ihr nie damit gewesen, nicht wahr?«
Declan hielt inne und sah ihn an. »Gezeiten, Desean, Ihr seid nun fast sieben Jahre mit ihr verheiratet. Was ist? Wollt Ihr Euch jetzt mit mir um sie streiten?«
»Ganz im Gegenteil, ich will mich überhaupt nicht um Arkady streiten.«
»Dann haltet die Klappe und schaufelt weiter.« Declan rammte den Spaten in die lose Erde neben dem Grab.
»Ich will, dass Ihr sie für mich findet.«
Declan ließ die Erde in das Grab fallen und lehnte sich dann auf den Spaten, um den ehemaligen Fürsten anzusehen. »Ihr wollt, dass ich was tue?«
»Ich will, dass Ihr Arkady findet und nach Hause bringt.«
»Warum geht Ihr sie nicht suchen? Ihr seid ihr Gemahl. Und es ist ja nicht so, als hättet Ihr derzeit Besseres zu tun.«
Stellan schüttelte den Kopf. »Ich gelte als tot, habt Ihr das vergessen?«
»Ich doch auch.«
»Vielleicht, aber Ihr seid nicht der glaebische Thronerbe, Declan. Wenn Ihr Euch auf wundersame Weise von den Toten erhebt, wird das lange nicht so problematisch wie meine Auferstehung.«
»Denkt Ihr nicht, Arkady wäre froh, zu wissen, dass Ihr noch am Leben seid?«
»Selbst wenn ich vorhätte, es auf dem Marktplatz von Herino ausrufen zu lassen, verfuge ich nicht über die verschwiegenen Kontakte, die ich brauchte, um sie zu finden. Kontakte, die Ihr habt, besonders in Torlenien.«
Bei der unsanften Erinnerung daran, dass Arkady irgendwo in Torlenien verschollen war, blieb Declan jeder Einwand im Hals stecken. Nicht nur, dass sie ausgerechnet in Torlenien war; seinen letzten Informationen zufolge war die Unsterbliche Kinta neuerdings Arkadys beste Freundin. Inzwischen konnte sie überall sein.
»Ich weiß nicht, was ihr zugestoßen sein mag, Declan. Und ich habe keine Möglichkeit mehr, für ihre Sicherheit zu sorgen. Als ich sie in der Obhut der
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