Fallon, Jennifer - Gezeitenstern Saga 3 - Der Palast der verlorenen Traeume
Unsterblichen auslöschen vielleicht nicht ganz dasselbe war wie töten, aber Declan war nicht in der Stimmung, über semantische Feinheiten zu streiten. Außerdem wollte er etwas anderes wissen.
»Hattest du die Absicht, mich unsterblich zu machen?«
Zu seiner großen Überraschung nickte Lukys, ohne zu zögern. »Ja, das wollte ich«, gab er zu. »Bis ich nach Herino kam und dich kennen lernte. Danach habe ich beschlossen, dich ein langes und glückliches Leben leben und im Alter eines natürlichen Todes sterben zu lassen. Versteh mich richtig, ich wusste nie mit Gewissheit, ob dich zu opfern dich unsterblich machen würde. Ich nahm an, mehr als halb unsterblich zu sein würde dir eine gute Chance verschaffen, es zu überleben. Aber so etwas kommt dermaßen selten vor, dass ich einfach keine Gewissheit haben konnte, ehe du nicht womöglich einen traumatischen Tod erleiden würdest. Ich hatte mich entschieden, das Risiko nicht einzugehen.«
»Und nachdem du all diese Mühen auf dich genommen hattest, um ein mehr als halbunsterbliches Kind zu erschaffen – was hat dich umdenken lassen? Was hat dich davon abgehalten, es zu Ende zu bringen und mich unsterblich zu machen?«
»Na, du natürlich«, sagte der Unsterbliche. »Gezeiten, ich habe mit einer Hure einen Bastard gezeugt, Declan. Du solltest eigentlich in den Elendsvierteln von Lebec aufwachsen, zu überleben lernen und wie man lügt und betrügt und stiehlt, wie man sich unscheinbar macht und seinen Grips für sich behält, das ist alles. Damit wärst du der perfekte unsterbliche Gefährte geworden. Es war nicht vorgesehen, dass du Freunde an höherer Stelle hast, die dir eine respektable Arbeit verschaffen. Oder dass du zur Bruderschaft rekrutiert und für die heikle Arbeit beim Ersten Spion ausgesucht wirst. Und ganz bestimmt war nie vorgesehen, dass du so schlau und tüchtig bist, selbst in einer derartig gehobenen Stellung zu landen.«
Lukys’ Gründe für seinen Rückzug kamen Declan geradezu komisch vor. »Also hast du dich letztlich entschlossen, mich zu verleugnen, weil ich etwas aus meinem Leben gemacht habe?«
»Ich habe mich entschlossen, dich zu verleugnen, weil du gefährlich bist, Declan Hawkes. Du bist in viel zu kurzer Zeit viel zu weit gekommen, mit nichts als deiner eigenen Chuzpe und Intelligenz. Ich wollte die Dinge nicht noch schwieriger machen – oder schlimmer machen –, indem ich dir Unsterblichkeit und Zugang zu den Gezeiten verschaffte.«
»Und doch bin ich jetzt hier«, sagte Declan.
Lukys lächelte und hielt hilflos die Hände auf. »Was nur zeigt, dass die besten Pläne schiefgehen können.«
»Du Scheißkerl. Hast du dich nie gefragt, was dein kleines Experiment mit mir machen könnte?«
»Was soll ich denn sagen, Sohn? Außer dich daran zu erinnern, dass es manchmal einfacher ist, um Vergebung zu flehen, als um Erlaubnis zu bitten?«
»Was durchaus helfen würde, wenn ich auch nur einen Augenblick das Gefühl hätte, dass du wirklich um Vergebung flehst. Und könntest du aufhören, mich Sohn zu nennen?«
»Stört dich das?«
»Es macht mich krank.«
Das schien Lukys zu amüsieren. »Du wirst dich schon daran gewöhnen. Ich nehme an, du möchtest mich wohl nicht Vater nennen?«
Declan machte sich nicht erst die Mühe, diesen Vorschlag einer Antwort zu würdigen. Der Tag wird niemals kommen, schwor er sich im Stillen, an dem ich dich freiwillig Vater nenne.
»Nun … vielleicht ist es noch ein bisschen früh dafür.«
»Was ist mit der Bruderschaft?«
»Was soll mit ihr sein?«
»Du hast sie alle hinters Licht geführt, du mieser Drecksack. Ich wette, du hast dich die ganze Zeit über uns scheckig gelacht, während du mittendrin saßest und zuhören konntest, wie wir Pläne schmieden, um die Unsterblichen auszubremsen.«
»Im Gegenteil, Declan, mein Junge. Ich war ihre Erlösung. Dank meiner, und deiner, sollte ich hinzufügen, werden sie endlich erreichen, was der Fünferrat in Tausenden von Jahren nicht mal ansatzweise erreicht hat. Ich werde ihnen geben, wonach sie sich verzehren -einen toten Unsterblichen. Was genau daran macht mich zu einem Bösewicht?«
»Du benutzt sie.«
»Und gebe ihnen dabei, was sie wollen. Sag mir noch mal, inwiefern macht mich das zum Schuft?«
Declan schüttelte den Kopf. Ihm wurde klar, dass es gar nicht so einfach war, mit diesem Mann zu streiten. »Und was kommt als Nächstes?«
»Nun, wir versuchen natürlich, Cayal umzubringen. Das ist alles, was der arme Junge das letzte
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