Falsch gespielt: Kriminalroman (German Edition)
der langen Flugreise beinahe acht Stunden zu schlafen. Vermutlich konnten sie sich ohne Probleme eine weitere Mahlzeit einverleiben, bevor es Zeit wurde, ins Bett zu gehen.
Als sie ihre Mahlzeit beendet hatten, spazierten sie in gemächlichem Tempo die Seah Street hinunter – ein fruchtloser Versuch, das Hemd trockenzuhalten – bis zur stark befahrenen North Bridge Road. Nachdem sie sich in einem scharfen Wortwechsel gegen ein paar sehnige Radfahrer durchgesetzt hatten, die sie um jeden Preis in ihrer Fahrradrikscha transportieren wollten, gelang es ihnen schließlich, sich in ein ganz normales Taxi zu zwängen.
Die Fahrt führte in ein weniger zentrales Wohngebiet, das jedoch immer noch in der Stadt lag. Auch dieser Stadtteil war geprägt von Wolkenkratzern, zwischen denen sich hin und wieder niedrige, weiße Kolonialbauten gegen das Moderne behaupteten, ebenso wie die eine oder andere Grünfläche. Wie seltsam es sich auch anhören mochte, aber die Singapurer schienen sich für den Erhalt ihrer Parks einzusetzen, obwohl sie doch sonst in die Höhe bauten und manchmal sogar auf dem Wasser, auf sogenanntem »reclaimed land«, das heißt auf in dem umliegenden Meer künstlich erschaffenen Flächen.
Balmoral Crescent war ein Komplex aus eleganten, siebenundzwanzigstöckigen Gebäuden, die von geschmackvollen Rabatten, schönen Steingärten und kleinen, plätschernden Wasserfällen eingerahmt waren. Der Innenhof war ein kleiner Park mit Rasenflächen, Sträuchern und gestutzten Bäumen, Schwimmbecken und Tennisplätzen, Sitzgruppen, Liegestühlen und Sonnenschirmen – exklusiv für die Glücklichen, die es sich leisten konnten, hier zu wohnen. Sjöberg und Andersson nahmen den Aufzug in den zwölften Stock, wo sie von Ingrid Håborg empfangen wurden, einer Frau um die Fünfzig mit rötlichen, lockigen Haaren, einem jugendlichen Körper, der wie dafür geschaffen schien, sich in schöne Kleider zu hüllen, und einer natürlichen Sonnenbräune, die nur jenen vergönnt ist, die lange Zeit in den Tropen verbringen. Ein paar Stunden zuvor war sie über den Besuch informiert worden, allerdings ohne den Grund genannt zu bekommen. Mit einer gewissen Unruhe im Blick fragte sie, ob sie ihnen etwas anbieten könne, aber die beiden Polizisten bedankten sich höflich und blieben im Eingangsflur stehen, der bereits auf die Pracht schließen ließ, die sie im Innern der Wohnung erwartete.
»Sehr freundlich von Ihnen, uns zu empfangen«, sagte Sjöberg mit einem entwaffnenden Lächeln. »Sie brauchen nicht beunruhigt sein, es ist nichts passiert. Wir sind überhaupt nicht Ihretwegen hier.«
Mit einer gewissen Skepsis schaute sie von einem zum anderen, aber als Sjöberg sein Anliegen erklärte, begann sie sich zu entspannen.
»Wir haben gehört, dass Dewi Kusamasari hier in der Nähe wohnt. Was können Sie uns über sie erzählen?«
»Oh, ich habe schon seit Jahren nicht mehr mit ihr gesprochen. Ich habe mit ihrem Stiefvater hier in Singapur zusammengearbeitet, damals, als er ihre Mutter kennengelernt hat. Damals haben wir uns öfter gesehen, ein herrliches Kind. Ich … ich habe gehört, dass Svempa … eine schreckliche Geschichte …«
»Sie haben sie also seit dreizehn Jahren nicht mehr gesehen?«
»Doch, Calle und ich haben sie in ihrem Haus in Älvsjö besucht, als wir vor … fünf, sechs Jahren in Schweden waren. Dewi ist damals auf das Gymnasium gegangen.«
»Und jetzt sind Sie Nachbarn – seit wann ungefähr?«
»Ich weiß gar nicht so genau«, sagte Ingrid Håborg nachdenklich. »Seit mehreren Jahren jedenfalls.«
»Aber Sie haben sich nicht mit ihr unterhalten?«
»Tja, sie macht ein großes Geheimnis um sich. Wir nennen sie Greta Garbo. Ja, so als kleiner Scherz. Sie trägt stets einen großen Sonnenhut, wenn sie ausgeht, und eine große, dunkle Sonnenbrille. Wir dachten erst, sie wäre eine Koreanerin oder Japanerin. Bis ich sie vor einer Weile im Pool gesehen habe. Ohne Hut und Sonnenbrille.«
»Aber Sie haben nicht mit ihr gesprochen?«
»Nein, ich war auf dem Balkon, als ich Dewi sah. Ich wollte nicht zu ihr hinunterbrüllen. Ich dachte, dass ich immer noch mit ihr sprechen könnte, wenn wir uns das nächste Mal begegnen.«
»Wo wohnt sie, wissen Sie das?«
»Ganz oben. Ich hatte tatsächlich schon überlegt, ob ich nicht bei ihr klingeln sollte, aber …«
»Aber?«, versuchte Sjöberg nachzuhelfen.
Ingrid Håborg verlagerte ihr Gewicht auf den anderen Fuß.
»Ja, wir sind uns ja schon vorher
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