Falsch gespielt: Kriminalroman (German Edition)
die Verantwortung dafür, dass diese hier gelöst wird. Wenn keiner was dagegen hat«, fügte sie mit einem leicht flehenden Blick hinzu.
»Ich bin dabei«, sagte Sandén, ohne lange zu überlegen. »Klar kriegen wir das hin, was, Gäddan?«
Alle anderen schauten verwundert von einem zum anderen, bevor sie gemeinsam zu lachen begannen. Keiner von ihnen war auch nur im Geringsten enttäuscht, dass er von einer Aufgabe entbunden war, die ohnehin als hoffnungslos betrachtet werden musste.
*
Odd Andersson lag halb auf seinem Stuhl vor dem Computer. Bei jedem erfolglosen Telefongespräch und jeder erfolglosen Suche war er ein Stückchen tiefer gerutscht. Die Aufgabe, nach einer Glock 38 zu fahnden, erwies sich, wie Hansson bereits vorhergesagt hatte, als absolut aussichtslos. Immer wieder erwischte er sich dabei, dass seine Konzentration nachließ und er an ganz andere Dinge zu denken begann.
Der Besuch bei den Wohnwagensiedlern in den Wäldern von Huddinge hatte einen tiefen Eindruck bei ihm hinterlassen. Es war unschwer nachzuvollziehen, welche Gedanken Sven-Gunnar Erlandsson dazu gebracht hatten, seine Hilfe gerade diesen Menschen zukommen zu lassen. Sowohl die Frau als auch der Mann schienen intelligente und einsichtsvolle Menschen zu sein. Trotz allem. Obwohl beide für geringfügigere Verbrechen vorbestraft waren, obwohl sie ihr Leben mit Drogen ruiniert hatten und obwohl die Frau vor langer Zeit das Sorgerecht für ihre beiden Kinder verloren hatte. Unglückliche Umstände hatten dazu geführt, dass sie ihren Traum auf ein ehrbares und redliches Leben aufgeben mussten, aber sie waren besonnene Persönlichkeiten und ziemlich harmlos für ihre Umgebung. Soweit er wusste, zumindest.
Und dann spukte immer noch der Gedanke an dieses Mädchen in seinem Kopf herum, das für eine Weile mit ihnen in dem Wohnwagen gelebt hatte. Welche Gründe konnte es dafür geben, dass ein Kind sein normales Leben mit Schule und Familie hinter sich ließ, um mit ein paar menschlichen Wracks am Boden der Gesellschaft zu leben?
Viele, musste er leider feststellen. Seine eigene Kindheit war auch nicht die glücklichste gewesen, geprägt von seelischem Leiden und Medikamentenmissbrauch hinter einer netten Fassade mit Volvo, Hund und Eigenheim. Doch er war niemals auf den Gedanken gekommen, das sinkende Schiff zu verlassen, sondern er hatte durchgehalten, Jahre und Monate gezählt bis zu dem Tag, an dem er endlich ausziehen konnte. Aber er hatte rebelliert. Er hatte sich geweigert, sich einzuordnen und das verlogene Pseudoleben mitzuspielen. Und in der Musik hatte er die Freiheit gefunden. In der wunderbaren Welt der Rockmusik durfte man wild und verrückt sein, und er hatte diese Welt zu seiner gemacht, was seine Eltern zur Weißglut getrieben hatte. Er ließ seine Haare wachsen, ließ sich an dem Tag tätowieren, an dem er volljährig wurde. Vor allen Dingen aber machte er Musik. Als Teenager war er Mitglied in mehreren Bands, schrieb eigene Lieder, sang und spielte Gitarre. Größere Erfolge hatten sie niemals gehabt, und an der Musikhochschule hatte er sich vergeblich beworben. Als er dadurch gezwungen war, eine alternative Karriere einzuschlagen, wurde es eben die Polizeihochschule. Papa Bauunternehmer verabscheute Finanzbeamte genauso sehr wie Bullen, aber der Polizeiberuf machte einen bedeutend interessanteren Eindruck.
Es mochte viele Gründe für ein junges Mädchen geben, sich von Zuhause fortzusehnen. Aber konnten sie so stark sein, dass sie es vorzog, zu den Pennern im Wohnwagenpark zu gehen – mitten im Winter? Da musste es schon richtig schlimm gewesen sein. Richtig schlimm. Blieb die Frage, was schlimmer war, als sich als Obdachlose durchschlagen zu müssen. Als Fünfzehnjährige. Als Mädchen. Ohne Ausbildung. Ohne Bedeutung.
Er beschloss, sie zu besuchen. Rebecka. Hoffte, dass es Erlandsson wirklich gelungen war, sie zur Heimkehr zu überreden. Und dass es ihr nicht allzu schlecht ging.
*
Petra Westman beschloss, der Geschichte mit dem verschwundenen russischen Sommerkind auf den Grund zu gehen. Sie hatte den Großteil des Materials, das es gab, zusammengetragen und begonnen, die Akten zu wälzen, Zeugenaussagen querzulesen und in einem inoffiziellen Dokument all das zusammenzufassen, was ihr wichtig erschien.
Zum letzten Mal war das Mädchen aller Wahrscheinlichkeit nach kurz vor elf Uhr morgens an einem Tag im August vor acht Jahren gesehen worden. Nach Aussage von Marie und Staffan Jenner war sie in den
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