Falsch gespielt: Kriminalroman (German Edition)
geputzt.
»Ja, da gibt es eine Sache, die in unserem letzten Gespräch aufkam und die mir nicht aus dem Kopf geht«, begann Sjöberg.
Adrianti schaute ihn ängstlich an und zog nervös an den Fingern, bis es knackte. Es musste etwas passiert sein, das sie aufgeschreckt hatte.
»Ihre Tochter, Dewi. Ich fürchte, das habe ich nicht so ganz verstanden. Sie müssen doch wissen, wo sie sich aufhält?«
Adrianti schüttelte den Kopf.
»Wie kommt das? Ich meine, Sie alle scheinen sie doch sehr zu mögen. Mag sie die Familie etwa nicht?«
»Doch. Dewi hat die Menschen geliebt. Sie hat uns geliebt. Alle zusammen.«
»Sie sagen ›sie hat geliebt‹. Das klingt in meinen Ohren ein bisschen unheilschwanger.«
»Liebt. Entschuldigen Sie mein schlechtes Schwedisch.«
Sjöberg ließ sich die Antwort noch eine Weile durch den Kopf gehen, bevor er beschloss, zum nächsten Punkt zu kommen.
»Ich möchte, dass Sie mir erzählen, wie es zu Dewis Reise gekommen ist. Die genauen Umstände.«
Sie betrachtete ihn mit einem unergründlichen Blick, holte dann tief Luft und begann zu erzählen.
»Es war mitten im Sommer. Sie hatte wenige Wochen zuvor das Gymnasium mit glänzenden Noten abgeschlossen. Sie packte also ihren Rucksack und fuhr zum Roskilde Festival. Zusammen mit Lina Jenner. Lina ist ein paar Jahre älter, aber sie hatten sich immer schon gut verstanden.«
»Das Roskilde Festival?«, sagte Sjöberg. »Fanden Sie das in Ordnung?«
»Nein, aber sie waren ja beide volljährig, und Lina ist ein gutes Mädchen. Was hätten wir tun sollen?«
»Und dann?«
»Nach zwei Tagen ist Lina nach Hause gekommen. Ohne Dewi.«
»Ohne Dewi? Hat sie von sich hören lassen?«
»Zwei Mal. Zuerst hat sie angerufen und gesagt, dass sie bis zum Ende des Festivals bleiben würde. Daraufhin reisten Svempa und Staffan nach Dänemark, um sie zur Vernunft zu bringen. Sie teilten sich auf und suchten an allen möglichen Stellen, sprachen mit vielen Menschen, aber am Ende kehrten sie mit leeren Händen zurück.«
»Und wann haben Sie das zweite Mal von ihr gehört?«
»Sie rief an und sagte, dass sie direkt weiter um die Welt reisen würde. Dass sie vorher nur nichts gesagt hatte, weil sie mich nicht traurig machen wollte.«
»Wie hörte sie sich an?«
»Niedergeschlagen. Es machte mich traurig, und das wusste sie ja.«
»Und dann?«
Sjöberg sah, wie ihr Tränen in die Augen stiegen.
»Das war das letzte Mal, dass ich mit ihr gesprochen habe.«
»Wann war das?«
»Das war am selben Tag, als Svempa und Staffan hinunterfuhren. Es ist ein großes Gebiet. Als würde man nach einer Nadel im Heuhaufen suchen.«
»Sie müssen sich große Sorgen gemacht haben?«
»Ich war vor allen Dingen traurig. Ein bisschen besorgt natürlich auch. Wegen dem Fuß. Aber Dewi hatte schon immer gewusst, was sie tat.«
»Der Fuß?«, fragte Sjöberg. »Was meinen Sie damit?«
Adrianti betrachtete ihn mit einem flehentlichen Blick. Ging er sie zu hart an? Vielleicht, aber er brauchte Antworten auf diese Fragen. Jetzt konnte sie die Tränen nicht mehr zurückhalten. Er legte seine Hand auf ihren Arm und wartete, bis sie sich wieder ein wenig erholt hatte. War sie die letzten vier Jahre schon so verzweifelt gewesen? Hatte sie es nur wegen der Familie so lange unterdrückt? Oder hatte sie plötzlich denselben Verdacht wie Sjöberg selbst?
»Adrianti, hatte Dewi sich verletzt?«, fragte er sanft, als sie wieder halbwegs aufnahmefähig war.
»Sie war behindert«, antwortete Adrianti betrübt. »Dewi hatte eine Gehbehinderung.«
Sjöberg war verdattert, bekam die Puzzleteile nicht richtig sortiert.
»Gehbehindert? Aber soweit ich verstanden habe, war sie doch ein … enormes Fußballtalent?«
»Das war sie auch«, bestätigte Adrianti. »Bis dieses Unglück passierte.«
»Wie alt war sie da?«
»Fünfzehn. Sie hatte gerade ein Moped bekommen. Sie liebte dieses Moped, aber sie konnte es nie wieder fahren.«
»Tut mir furchtbar leid. Was war denn das für ein Unglück? Wollen Sie es mir erzählen?«
»Nein, das will ich eigentlich nicht«, sagte Adrianti, und es gelang ihr, mitten in ihrem Elend noch ein trauriges Lächeln zu produzieren. »Aber ich werde es trotzdem tun.«
»Danke«, antwortete Sjöberg aufrichtig. »Entschuldigen Sie, dass ich Sie so bedrängen muss.«
Sie schüttelte abwehrend den Kopf und sammelte sich.
»An einem Nachmittag in den Sommerferien war Dewi alleine zu Hause. Sie hat nach etwas gesucht und stöberte draußen in der
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