Falsch gespielt: Kriminalroman (German Edition)
sehr feste Ansichten über die meisten Sachen und hat ein ziemlich aggressives Wesen. Als sie klein war, war sie oft in Prügeleien verwickelt. Sie macht sich leicht Feinde.«
»Sie sieht ziemlich hübsch aus«, sagte Andersson.
Eine Aussage, mit der er die Mutter ein wenig entwaffnen wollte und die allein auf den wenigen Sekunden beruhte, die er von ihr in der Fernsehdokumentation gesehen hatte.
»Sie ist hübsch, das stimmt. Und das hat es ihr bestimmt auch ein wenig leichter gemacht. In der Regel haben die Leute mehr Geduld mit einem hübschen Kind. Traurigerweise, muss ich sagen. Denn obwohl so viele versucht haben, ihr zu helfen, hat sie immer nur gebockt. Sie ist aufsässig bis in die Fingerspitzen.«
Den letzten Satz unterlegte sie mit einem resignierten Lächeln.
»Sie glauben vielleicht, dass sie sich hier zu Hause nicht mehr geliebt fühlt, und das stimmt wohl auch. Aber glauben Sie mir, wir lieben sie alle, und wir haben alles Menschenmögliche getan, damit sie es auch spürt, damit es zwischen uns funktioniert. Aber es geht nicht. Sie will nicht.«
Genau, dachte Andersson. Und dann haut sie einfach ab? Und der Rest der Familie sitzt zu Hause und dreht Däumchen und hofft, dass sie wieder nach Hause kommt? So funktioniert das also im Wohlfahrtsstaat Schweden? Jeanette Magnusson schien seine Gedanken zu lesen.
»Wir haben jahrelang Kinderpsychologen und Familientherapeuten konsultiert. Auch das Jugendamt ist involviert, wie Sie ja wissen. Rebecka möchte nicht zu Hause wohnen. Sie möchte eine eigene Wohnung haben, aber die bekommt sie nicht. Sie ist fünfzehn Jahre alt und hat ein funktionierendes Zuhause. Das Amt will nicht bezahlen. Was ich durchaus nachvollziehen kann. Wir können es nicht bezahlen. Also haut sie eben ab. Was sollen wir machen? Sie anketten?«
Andersson war sprachlos. So hatte er es sich nicht vorgestellt, und er hatte keine Antworten. Er schluckte das letzte Stück Kuchen herunter, das er noch in der Hand gehalten hatte, und wischte sich die Hände an den Hosenbeinen ab.
»Und die anderen Kinder?«, fragte er gedankenlos, nur um überhaupt etwas zu sagen.
Im Grunde hatte er keine Ahnung, was er eigentlich über sie wissen wollte.
»Es hört sich schrecklich an, so etwas zu sagen«, antwortete sie, »aber den Jungen geht es tatsächlich besser, wenn Rebecka weg ist. Um sie herum ist immer Zank. Sie ist destruktiv, in ihrer Umgebung geht es allen schlecht. Leider ist sie dazu auch noch selbstdestruktiv.«
»Wie äußert sich das?«
»Sie kümmert sich nicht um sich selbst. Haut mitten im Winter ab, ohne die passenden Kleider. Schläft überall, nach den wenigen Berichten, die wir bekommen haben. In einem Treppenhaus. In einer öffentlichen Toilette. Sie bewegt sich unter den schrecklichsten Typen.«
»Wissen Sie, ob sie Drogen nimmt?«, fragte Andersson.
Jeanette Magnusson schüttelte den Kopf.
»Wir glauben nicht. Sie haben sie uns ja schon einige Male wieder zurückgebracht, verdreckt und verkommen. Hungrig. Aber sie hat nie einen berauschten Eindruck gemacht. Sie bleibt eine Weile, und irgendwann ist es dann wieder so weit.«
»Immerhin ist jetzt Sommer«, bemerkte Andersson in einem lahmen Versuch, die Angelegenheit von einer positiven Seite zu betrachten. »Wann war sie das letzte Mal zu Hause?«
»Im März.«
»Im März? Das ist ja fast ein halbes Jahr her!«
»Das Jugendamt hält die Augen offen. Wir halten Augen und Ohren offen. Aber niemand hat sie seitdem gesehen. Wahrscheinlich ist sie in einer anderen Stadt. Oder in einem anderen Land. Es gibt nichts, das wir tun können, außer zu hoffen.«
Konnte es so schrecklich sein? Hätte das Mädchen ein Verbrechen begangen, hätte man sie zu einer Jugendstrafe verurteilen können, aber wie sich die Lage hier präsentierte, gab es offensichtlich kein Mittel, um sie festzuhalten.
»Sie wissen, dass sie eine Weile draußen in Huddinge gewohnt hatte?«, fragte Andersson. »Im Wald? Mit einer Gruppe Obdachloser in einem Wohnwagen?«
»Das habe ich gestern erfahren, ja. Von der Sozialarbeiterin. Aber das war vor fünf Monaten, und es ist die letzte Information, die wir über Rebecka bekommen haben.«
»War sie früher auch schon so lange weg?«
»Nein, aber es wurde von Mal zu Mal länger. Als sie zum ersten Mal abhaute, war sie elf Jahre alt. Da blieb sie vier Tage weg.«
»Ich glaube, dass es jetzt an der Zeit wäre, sie zur Fahndung auszuschreiben«, sagte Andersson.
»Danke. Das haben wir schon früher
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