Falsch
dem fanatischen Opernliebhaber eine ganze Menge.
»Georgi!«, begrüßte Mischa den Hausherrn mit weit ausgebreiteten Armen. »Siehst du nur ausländische Programme, oder hast du auch einen anständigen französischen Cognac für deine Gäste?«
»Du meinst mein Lebenselixier?«, lächelte Atanasiew und wies auf die Bar. »Nimm dir, was immer dein Herz begehrt. Ich würde vorschlagen, wir gehen etwas später ins Noev Korcheg beim Kreml, einverstanden?«
»Gute Idee, Georgi, ich habe seit Monaten nicht mehr armenisch gegessen«, antwortete Mischa vergnügt, während er sich eine großzügige Portion Rémy Martin einschenkte. »So, und jetzt will ich endlich das Objekt der Begierde sehen, das uns mit einem Schlag an die Spitze katapultieren wird.«
»Dann komm und staune«, nickte Atanasiew und führte Mischa in sein Arbeitszimmer, das eher einer Bibliothek in einem englischen Club ähnelte. Bilder und Messinglampen, Lederfauteuils und dunkles Holz verbreiteten eine gemütliche Atmosphäre. An den Wänden reichten die Bücherregale bis an die Decke.
Auf einem großen Schreibtisch stand, beleuchtet von einer Lampe mit grünem Schirm, ein Stahlbehälter in der Größe eines Schuhkartons und glänzte geheimnisvoll im Licht der Glühbirne.
»Ich dachte, sie wäre größer«, murmelte Mischa andächtig.
Atanasiew lächelte nachsichtig. »Das ist nur der innerste Kern«, meinte er und strich mit der Hand über den kühlen Stahl. »Du kennst die Matrjoschkas, jene Puppen, die eine immer noch kleinere Puppe in ihrem Inneren bergen. So war es auch bei diesem Behälter. Was du hier siehst, ist das Herz. Es war geplant, die kleine Kiste aus dem Flugzeug abzuwerfen. Also war sie perfekt verpackt, in einer dicken Schicht Holzwolle, einer weiteren Stahlkiste, einer Schicht Asbest, einem dritten Stahlbehälter und schließlich noch einem großen, gepolsterten Hartplastikcontainer, der beim Aufschlag zerbrechen und den Peilsender auslösen sollte.«
Mischa pfiff durch die Zähne. »Erzähl mir mehr«, sagte er einfach und ließ sich in einen der Clubsessel fallen.
»Die alte Geschichte vom Absturz der Il-76 bei Mirny kennst du ja bereits«, winkte Atanasiew ab.
»Wie alle anderen Zeitungsleser auch«, gab Mischa zurück. »Was war der Hintergrund, und was geschah danach?« Er nippte genüsslich an der goldgelben Flüssigkeit in dem Kristallschwenker.
»Nun, die Machtspiele im Innenministerium sind und waren immer legendär, das brauche ich dir nicht zu sagen«, begann Atanasiew und ließ sich auf der Tischkante nieder. » KGB , FSB , diverse politische Interessen, gewürzt mit einer Prise Privatinitiative und Habgier. Eine explosive Mischung. Was willst du mehr? Dazu ein geheimer Flug – von den einen befohlen, von den anderen ausgenutzt. Wer immer den Abwurf angeordnet hatte, ließ sich nie zweifelsfrei nachweisen. Vor allem nicht, nachdem Flug 202 abstürzte, die Besatzungsmitglieder mit sich in den Tod riss und offiziell gar nicht existierte.«
»Und die Kiste?«
»Die stürzte mit ab«, bestätigte Atanasiew, »aber Dank der perfekten Verpackung überstand sie Explosion und Aufprall, Feuer und Frost. Doch sie lag ja nicht lange in der Taiga. Flug 202 kam in unmittelbarer Nähe einer aufgelassenen Diamantenmine herunter. Und, so unglaublich es klingt, da gab es jemanden, der in dieser Mine schürfte, nach Diamantkristallen suchte. Illegal, geheim und mit seinen eigenen, beschränkten Mitteln. Er hörte den Knall, stürzte ins Freie und stand vor den brennenden Resten der Il-76.«
»Und er fand die Kiste.«
»Ja, er fand die Kiste«, nickte Atanasiew. »Der Hartplastikcontainer war zerstört, der Peilsender funktionierte nicht mehr. Ein Absturz ist etwas anderes als ein Abwurf. Die inneren Schichten jedoch waren unbeschädigt. Nachdem er lange Jahre in der Diamantenindustrie gearbeitet hatte, erkannte der illegale Schürfer den Behälter und seine Bedeutung. Er lud ihn in seinen Geländewagen und fuhr los.«
»Weit weg?«
»Ach wo, nach Hause«, grinste der Hausherr. »Er war gescheiter als alle. Sein Verschwinden in dieser kleinen Stadt, umringt von Einsamkeit, wäre aufgefallen, der KGB hätte eins und eins zusammengezählt. Nein, er machte weiter wie bisher, allerdings stellte er seine illegalen Grabungen ein. Er hatte seinen Schatz ja bereits gefunden und im Keller seines Reihenhauses versteckt. Und – er hatte Zeit. Die Untersuchungen um Flug 202 verliefen im Sand, wie du weißt, der Innenminister nahm seinen
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