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Falsch

Falsch

Titel: Falsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Schilddorfer
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spürte er mit einem Mal den Flugscheinabschnitt mit den beiden Gepäck-Quittungen, den er heute Mittag am Außenparkplatz gefunden hatte. Er zog die Schultern hoch und warf einen letzten Blick nach Westen. Das Blau hatte sich aufgelöst, war endgültig verschwunden und hatte der Nacht Platz gemacht.
    Also drehte er sich um und lief los, erst zur Sicherheitskontrolle und anschließend in den Passagierbereich hinüber. Vielleicht habe ich ja Glück, dachte er und umrundete ein junges Paar, das so ins Abschiednehmen vertieft war, dass Christopher Angst um die öffentliche Moral bekam.
    Als der Gepäckschalter endlich in seinem Blickfeld auftauchte, wusste er, dass er auf sein Glück heute besser nicht zählen sollte. Eine resolute, dunkelblonde Mittvierzigerin in blauer Uniform, in der eine beeindruckende Oberweite gerade noch Platz fand, fertigte gerade energisch zwei Passagiere ab, deren Koffer es nicht mehr auf das richtige Flugzeug geschafft hatten.
    »Sie erhalten Ihr Gepäck spätestens morgen früh, und das ist das Beste, was ich machen kann. Sie haben immerhin zwei Plätze im letzten Flugzeug aus Athen bekommen, danach begann der Streik, und der wird bis morgen früh dauern, wie man hört. Ihre Koffer sind in Athen, Sie sind hier. Das ist Schicksal und höhere Gewalt.« Ihr Blick duldete keinen Widerspruch, und das sah wohl auch das ältere Ehepaar so, denn es zog überraschend friedlich von dannen, während sich die Flughafenmitarbeiterin wieder ihrem Computermonitor widmete.
    »Sabine, Traum meiner schlaflosen Nächte«, lächelte Christopher lahm.
    Zwei eisblaue Augen tauchten hinter dem Flatscreen auf und musterten ihn herablassend. »Lass mich raten, Chris, du schläfst seit Jahren tief und fest. Das war der schlechteste Anmachversuch der letzten Monate. Selbst die beiden Albaner vergangene Woche waren besser als du. Und die sprachen nur sinnlos auf Albanisch vor sich hin, während sie auf meinen Busen starrten und sabberten.« Sabine schoss einen strafenden Blick auf Christopher ab, schüttelte den Kopf und widmete sich wieder ihrer Gepäcksuche im Intranet. »Außerdem verschlägt es dich nur in meine Richtung, wenn du etwas brauchst«, setzte sie nach, »meist etwas Unverschämtes oder Illegales oder beides. Meine Antwort darauf ist: nein! Und außerdem – solltest du nicht arbeiten?«
    »Dank des Streiks bin ich schon im Feierabend. Ich wollte dich zu meiner Jahrestagsfeier einladen«, log Christopher unbeschwert. »Ein Jahr ist rum, seit ich meine neue Bleibe gefunden habe.«
    Sabine verzog die Nase und winkte ab. »Ich mach mir nichts aus rostigen VW -Bussen, grungigen Garagenpartys und verwanzten Liegeflächen. Und erzähl mir bitte nicht, dass du zur Feier des Tages Champagner geordert hast. Also, wie gesagt: Danke, nein, und dabei bleibt’s!« Sie hämmerte in die Tastatur mit der Feuergeschwindigkeit einer Maschinenpistole. »Mir fehlen derzeit rund vierhundertzwanzig Gepäckstücke, ein Sperrgut ist zu Kleinholz zertrümmert worden, und der verdammte Streik treibt mich in die Überstunden und hält mich davon ab, es mit meinem Liebsten zu treiben. Also mach’s kurz, Christopher Weber.«
    » Yes, Madam «, salutierte Chris theatralisch, schlug die Hacken zusammen und knallte den Abschnitt mit den beiden Gepäckscheinen auf den Counter. »Würde es deine Laune bessern, wenn ich dich um zwei weitere Koffer erleichtern könnte?«
    Sabine warf einen flüchtigen Blick darauf und verdrehte die Augen. »Sag bloß, du bist unter die Gepäck-Rechercheure gegangen. Was soll das?«, fragte sie, griff hinter sich und ließ eine volle Schachtel neben den Schein von Chris fallen. »Davon hab ich Hunderte. Spiel, Satz und Sieg. Oder auch – Full house für mich, und du hast gerade mal ein Paar.« Sie ließ die Schachtel wieder verschwinden, überlegte kurz und nahm mit spitzen Fingern den Ticketabschnitt, um einen zweiten Blick darauf zu werfen. »Warum habe ich das Gefühl, dass ich gerade etwas Falsches mache?«
    »Dein Gefühl trügt dich, glaub mir«, gab Christopher lächelnd zurück. Vielleicht hatte ihn sein Glück doch nicht ganz verlassen. »Was kannst du mir zu dem Namen sagen? Woher? Mit wem? Wieso? Ich bin einfach nur neugierig.«
    »Und der Weihnachtsmann kommt zu Ostern«, meinte Sabine trocken und ließ den Abschnitt wieder fallen. »Lass mich raten. Brünett, schlank, eine Figur, die jeden Korsettmacher erblassen lässt?«
    Chris zuckte mit den Achseln. »Keine Ahnung, ich weiß nichts über

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