Falsch
nach einer kurzen, aber intensiven Einkaufstour im Restaurant des Beau Rivage und bewunderten von der liebevoll begrünten Terrasse den Blick auf den Genfer See und die weltberühmte Fontäne. Das Chat Botté, der »gestiefelte Kater«, war eines der besten Restaurants Europas, ein weit über die Grenzen der Stadt bekanntes Feinschmeckerlokal, dessen Küchenchef mit Einfallsreichtum und solidem Handwerk immer wieder zu begeistern wusste. Vincente war im siebten Himmel und hätte am liebsten sofort der Küche einen Besuch abgestattet.
Zuvor hatte Fiona Alfredos Wunde neu verbunden und ihn danach ohne viel Mühe überzeugt, in eleganter blauer Hose und Leinenjackett zum Essen zu erscheinen.
»Kleider machen Leute«, schmunzelte Finch, als Alfredo zum wiederholten Mal ein unsichtbares Stäubchen von seinem Ärmel wischte. »Du siehst aus wie einem Modejournal entstiegen.«
»Das ist also das legendäre Haus, in dem wir den ersten Hinweis finden sollen«, meinte Georg leise und sah sich um. »Ich habe ein wenig in der Hotelbroschüre geblättert. Seit hundertfünfzig Jahren in Familienbesitz, alles, was in Europa Rang und Namen hat, war bereits einmal hier. Außerdem ein geschichtsträchtiger Boden: Hier wurde 1918 die Gründungsurkunde der Tschechoslowakischen Republik unterzeichnet, die Kaiserin Sissi wohnte hier, als sie ermordet wurde, die Barschel-Affäre ist weltweit durch die Gazetten gegeistert. Charles de Gaulle, Richard Wagner, Ludwig von Bayern – eine endlose Liste von Prominenz. Wer in Genf abstieg, der kam ins Beau Rivage.«
»Ich habe gelesen, dass regelmäßig jeden Mai und November Uhren- und Schmuckversteigerungen von Sotheby’s stattfinden«, ergänzte Fiona. »Ob das mit unserer Suche zusammenhängt?«
»Kaum«, gab Finch zurück, »diese Auktionen haben erst nach dem Krieg begonnen. Was wir suchen, stammt aus der Zeit davor. Vergiss nicht, dass die vier alten Männer alle 1945 nach Südamerika kamen, unmittelbar nach dem Kriegsende. Zumindest bei Klausner und Gruber war es so, Hoffmann und Böttcher können wir zwar nicht mehr fragen, aber wir können beruhigt annehmen, dass sie ebenfalls zu dieser Zeit nach Kolumbien kamen.«
»Wie lauteten die beiden unsichtbaren Zeilen auf der Nachricht genau?«, erkundigte sich Alfredo. »Ich habe etwas von Erstbeste , Rose und Pfeiler in Erinnerung.«
Finch zog einen Zettel aus der Tasche. »Warte, ich habe es notiert.
Nehmt nicht das Erstbeste und sucht die Rose
im Untergrund, am Fuß des dritten Pfeilers .«
Alfredo rieb sich nachdenklich das Kinn, nachdem ihm Fiona die Worte ins Spanische übersetzt hatte. »Also, nun sind wir in der Schweiz, im Beau Rivage am Genfer See, wie es Hoffmann in seiner Nachricht verschlüsselt hat. Aber was heißt nehmt nicht das Erstbeste ?«
»Gute Frage«, murmelte Finch, »darüber zerbreche ich mir schon seit Miami den Kopf. Aber gehen wir es methodisch an. Wir haben Rose, Untergrund, am Fuß des dritten Pfeilers als Hinweise. Das sollte nicht zu schwer sein. Im Untergrund eines Hauses? Der Keller. Die Rose? Kann eine Malerei sein, eine Gravur auf einem Ziegel oder einem Stein, der Name eines der Keller …«
»Ein Pfeiler weist darauf hin, dass es ein Keller in einem alten Haus sein muss, mit Gewölben«, gab Fiona zu bedenken. »Das würde dafür sprechen, dass wir am richtigen Ort sind.«
Die Terrasse des Chat Botté hatte sich mit fortschreitender Stunde nach und nach geleert. Vincente war aufgestanden und hatte bei seiner Suche nach den Toiletten das Gästebuch des Restaurants entdeckt. Als er wieder zum Tisch zurückging, sah er einen der Kellner unsicher an und deutete auf den in Leder gebundenen Band.
»Sehr gern, Monsieur, nehmen Sie es nur, avec plaisir! «, beeilte sich der Kellner zu versichern und drückte Vincente lächelnd das schwere Buch in die Hand. »Wir freuen uns über jeden Eintrag.«
Während die anderen noch einen letzten Kaffee vor dem Schlafengehen tranken, blätterte Vincente in dem dicken Wälzer, in dem Gäste des Hauses in den verschiedensten Sprachen von den kulinarischen Genüssen im Chat Botté berichteten. Von einmaligen Geschmacksexplosionen war die Rede, von einzigartiger Küche in elegantem Rahmen, von diskretem Service und unerwarteten Gaumenfreuden. Manche der Gäste hatten den Zeilen kleine Zeichnungen hinzugefügt, Karikaturen oder einfach nur kunstvolle Unterschriften. Eine der Eintragungen lautete in Spanisch: »Was Dominique Gauthier für das Chat Botté ist –
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