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Falsch

Falsch

Titel: Falsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Schilddorfer
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Reichssicherheitshauptamt gemietete Gebäude befand sich in einem heruntergekommenen Zustand, zehrte nur mehr von altem Glanz. Alles erinnerte an lange vergangene Feste, die der Adel der Monarchie hier gefeiert hatte.
    Hannas Augen huschten durch den Raum, überflogen die abgetretenen Teppiche, die fleckigen Gardinen. Egal, dachte sie, wir verschwinden sowieso heute oder morgen von hier. Auch der siebzig Jahre alte Bösendorfer-Flügel war ein Relikt aus jenen besseren Tagen. Verstimmt, mit zerkratzter Politur und vergilbten Tasten hatte er doch bei aller Vernachlässigung ein Stück jener Faszination behalten, die allen Klavieren aus dieser Wiener Manufaktur eigen war.
    Die junge Frau stand auf und setzte sich auf den runden Klavierhocker mit dem rissigen Lederbezug. Geistesabwesend begann sie, mit einer Hand Melodien aus den dreißiger Jahren zu klimpern. Erinnerungen tauchten auf und verschwanden wieder, Bilder von Männern, Gesichter im Nebel der Vergangenheit, Empfänge, Pelzstolen und glitzernde Orden an Uniformen, lachende Gesichter. Die Bilder wechselten rasch. Andere Männer, andere Orden, andere Uniformen. Ein Karussell der Erinnerungen. Brennende Scheiterhaufen, gewichste Stiefel im Gleichklang, hochgereckte Arme, Jubel und glänzende Augen.
    Hannas Finger berührten die Tasten. Die Kühle des alten Elfenbeins war beruhigend und aufregend zugleich, sinnlich, erotisch. Bilder wechselten sich ab. Weinende Gesichter in einem Zugfenster, ein Regenbogen über einer Wiese, fragil und flüchtig, Briefe von der Front, ein Foto, eine Todesanzeige, kurz und lapidar. Eine von Zehntausenden. Die Todesnachricht.
    Lili Marleen. Hanna spielte nun beidhändig, wechselte den Rhythmus, sang mit den falschen Tönen des Flügels.
    »Wenn sich die späten Nebel drehn,
werd’ ich an der Laterne stehn,
wie einst Lili Marleen,
wie einst Lili Marleen …«
    Der Mann im weißen Smoking schien die Misstöne nicht zu bemerken. Er betrat das Lesezimmer leise, fast unhörbar, schlenderte zum Klavier und wartete, bis die letzten Noten verklungen waren. Dann legte er das Päckchen Zigarettenpapier mit der englischen Aufschrift auf die abgegriffenen Tasten direkt neben die manikürten Finger der jungen Frau.
    »Wenn sich die späten Nebel drehen, wirst du voraussichtlich an der Laterne hängen«, meinte er leise und griff nach ihrer Hand.
    Hanna nahm rasch das Zigarettenpapier von den Tasten und las die Aufschrift. »Wo hast du das gefunden?«
    »Auf der Straße am Wald, knapp vor der letzten Kurve, oben an der Gabelung«, gab er gleichmütig zurück. »Neben frischen Reifenspuren. Der Besitzer dieses britischen Exportartikels hat etwas weiter unten lange auf dem Bauch im Gras gelegen. Zehn zu eins, dass er ein Fernglas bei sich hatte und auch wusste, wie man es benutzt.«
    Hanna stand auf und ging wortlos zu einem kleinen Tisch, zog die Schublade auf und holte einen kleinen Beutel Tabak heraus. Schweigend drehte sie sich eine Zigarette, wandte sich um und stellte sich wartend vor den Mann im Smoking. Als er das Feuerzeug aufschnappen ließ und in ihre Augen blickte, sah er zum ersten Mal einen Schatten der Angst.
    »Sei versichert, Heinz, wenn ich an der Laterne hänge, dann hängst du unmittelbar daneben. Mit dem Unterschied, dass sich bei dir einige Leute streiten werden, wer dich aufknüpfen darf.« Mit dem Daumennagel streifte Hanna einen Tabakkrümel von ihrer Unterlippe.
    »Wenn dich unser geliebter Führer hören könnte, wie du von einem Angehörigen der Leibstandarte und Helden des Reiches sprichst …«, meinte der Mann spöttisch.
    »… Da müsste ich schon sehr laut schreien«, erwiderte Hanna trocken. »Und selbst dann frage ich mich, ob er diesen Helden nicht sofort vor ein Erschießungskommando stellen würde. Die besten Helden dieses Reiches sind nämlich bekannterweise die toten. Das wäre dann das schnelle Ende eines Gauners namens Heinz Claessen mit internationaler Laufbahn …«
    »… und internationalen Verbindungen«, unterbrach sie der Mann und lächelte giftig, »der eine Nutte davor bewahrt hat, im Konzentrationslager zu landen und den Wachen jeden Tag einen zu blasen.« Der Hass, der schlagartig in Hannas Augen aufblitzte, ließ ihn völlig kalt. »Wenn du so weitermachst, schöne deutsche Maid, dann wirst du so enden wie Darrey. Mit einer Menge Löcher in deinem Körper, und zwar da, wo sie nicht hingehören.«
    »Darrey war nur ein Bauer in unserem Spiel«, gab Hanna ungerührt zurück, »ich bin die

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