Falsch
ziemlich jeden Pass und jedes Visum in kürzester Zeit verblüffend echt kopiert. An Pässen und Reisepapieren mangelte es Claessen nun wirklich nicht, ganz im Gegenteil.
Er ließ das Schreiben Kesselrings fallen und warf einen Blick auf das einzelne Blatt mit dem Befehl, der von Himmler persönlich unterzeichnet war. Der Reichsführer- SS wiederholte im Wesentlichen die Punkte des Generalfeldmarschalls ohne die politischen Details.
Fracht, Werte, Bank, Zürich, streng geheim.
Was ist bloß so Wichtiges in diesen zehn Kisten, dachte Claessen und spürte, wie die Neugier in ihm zu nagen begann. Die blau eingezeichnete Route auf der Generalstabskarte führte durch das Passeier Tal über das Timmelsjoch nach Sölden, durch das Ötztal ins Inntal, dann über den Arlberg bis an die Ufer des Bodensees und zu dem Grenzübergang Bangs. Es war ein milder Winter in den Bergen gewesen, ging es Claessen durch den Kopf. Nach dem Warmlufteinbruch Mitte März gab es nichts, was ein LKW mit Allradantrieb nicht bewältigen könnte.
Wohin sollte er fahren? Zu Kaltenbrunner nach Berlin?
Unsinn.
Die Operation Bernhard in das Unternehmen Kameradenwerk überleiten, wie es Kaltenbrunner vorschwebte?
Oder Kesselrings geheimnisvolle Fracht in die Schweiz bringen?
Die Fracht …
Er eilte über den Schlosshof zu dem Opel Blitz in Tarnanstrich, der neben den beiden staubigen BMW -Motorrädern parkte. Nachdem er die Plane zurückgeschlagen hatte, kletterte er hoch und schwang sich auf die Plattform. Sein Blick fiel auf einen Stapel von nummerierten Holzkisten mit Reichsadler und Hakenkreuz. In der Dunkelheit konnte er nicht erkennen, wie viele es waren, und ärgerte sich darüber, keine Taschenlampe mitgebracht zu haben. Als er näher trat, stieß sein Fuß gegen etwas Metallisches. Ein Montiereisen und daneben zwei Ersatzreifen lagen auf der Ladefläche. Rösler war gut vorbereitet auf die Fahrt gegangen, dachte Claessen und wählte kurz entschlossen eine der Kisten. Dann bückte er sich, griff nach dem Werkzeug und stieß es ins Holz, in die Fuge unter den Deckel. Als er das Montiereisen niederdrückte, kam der Deckel mit einem jaulenden Quietschen frei.
Aus der Kiste stieg der Geruch von Papier. Akten, schoss es Claessen durch den Kopf, dieser Holzkopf von Kesselring hat Akten in Sicherheit gebracht! Stirnrunzelnd griff er durch den Spalt …
Wenige Augenblicke später stürmte Claessen ins Schloss zurück, sein Herz klopfte bis zum Hals. Er blieb vor dem kleinen Tisch mit den Pässen und den Befehlen stehen und stopfte alles rasch wieder in den Umschlag zurück.
Die Entscheidung war gefallen. Es würde in die Schweiz gehen.
Claessen überlegte fieberhaft. Dann rief er: »Leutnant Rösler!«
Aus der Bar drangen laute Stimmen, Stühlerücken. Dann stieß der Offizier die Tür auf, ein Glas in der Hand, und sah Claessen fragend an.
»Sie können morgen mit Ihren Männern wieder nach Süden aufbrechen, ich benötige keine Eskorte. Suchen Sie sich ein Zimmer aus, es stehen alle zu Ihrer Verfügung, und schlafen Sie sich aus. Betrachten Sie sich als mein Gast!« Claessen versuchte seine Aufregung zu verbergen.
»Aber …«, wollte Rösler protestieren, doch der Obersturmbannführer wehrte ab.
»Ab sofort ist der Transport mein Problem, und wenn ich das Spiel mitmachen soll, dann spiele ich es nach meinen Regeln oder gar nicht. Legen Sie mir eine MP 42 mit Reservemagazinen auf den Beifahrersitz, dazu ein paar Handgranaten. Das genügt mir. Dafür können Sie meinen Mercedes für die Fahrt zurück nehmen, ich brauche ihn nicht mehr.«
»Das ist sehr großzügig, danke!« Rösler war erstaunt und verwirrt zugleich. »Und Sie sind sicher, dass Sie keine Begleitung benötigen?«
»Ich werde den ersten Teil der Strecke bei Nacht fahren und durch ein Berggebiet, in dem selbst die Partisanen um diese Zeit tief schlafen«, beruhigte ihn Claessen. »Ich lade noch ein paar Kanister Benzin auf, dann mein Gepäck und bin auch schon auf dem Weg. Fühlen Sie sich wie zu Hause, Leutnant, es ist Ihr Haus.«
Er trat ganz nahe an Rösler heran und raunte ihm zu: »Unter uns … Vielleicht sollten Sie doch beginnen, über die Optionen nachdenken. Die Zeit wird knapp, und den Letzten beißen die Hunde …«
Der Leutnant sah den Obersturmbannführer lange an, dann leerte er sein Glas in einem Zug. Schließlich nickte er stumm, drehte sich um und verschwand in der Bar.
Um ein Uhr morgens kletterte Heinz Claessen in das Führerhaus des Opels,
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