Falsch
dachte immer, Pornographie sei im Deutschen Reich verboten und wird schwer bestraft.«
»Pssst, nicht so laut, wer wird denn dieses furchtbare Wort verwenden?«, wand sich Altmeyer und schaute sich rasch um. »Das sind private Kunstfotos, selbstverständlich. Ich bin nicht dafür verantwortlich, dass jemand in seinem ganz eigenen häuslichen Rahmen …«
»Schon gut, so genau wollen wir es gar nicht wissen«, beruhigte ihn Paul. »Ich mache Ihnen einen Vorschlag. Wir vergessen, was wir gesehen haben, und Sie machen unsere Passfotos in einer halben Stunde fertig. Dann sind wir wieder weg und waren niemals da. Ist das ein Vorschlag zur Güte?«
Der Photograph nickte eifrig. »Sehr gut, so machen wir es. Würden Sie bitte hier Platz nehmen?«
Es dauerte vierzig Minuten, bis Altmeyer das letzte der entwickelten und zugeschnittenen Fotos in eine Kartonhülle steckte und seinen Kunden überreichte. »Bitte sehr, ich hoffe, Sie sind zufrieden.«
»Sie haben uns vor allem niemals gesehen«, ergänzte Willi und schob das Geld über den Tresen. »Sollte ich auch nur den Hauch einer Andeutung im Lager hören, dann kommen wir zurück und finden die Negative Ihrer Privataufnahmen. Was dann passiert, brauche ich Ihnen nicht auszumalen, oder?«
Altmeyer schüttelte energisch den Kopf und steckte die Reichsmarkscheine ein. »Wo denken Sie hin? Ich schweige wie ein Grab. Sie können sich darauf verlassen.«
Auf ihrem Weg zum LKW beratschlagten Willi und Franz die nächsten Schritte. Lange Kolonnen von Wehrmachtsfahrzeugen rollten westwärts über die Hauptstraße und hinterließen grauschwarze Dieselwolken.
»Wir brauchen Zivilklamotten, aber erst knapp bevor wir über die Grenze gehen«, gab Franz zu bedenken. »Vorher können wir sie nicht anziehen, also hat das noch Zeit bis zum Bodensee. Aber die Pässe …«
»… sollten wir gleich ausfüllen, noch bevor wir jetzt losfahren«, ergänzte Willi. »Hast du schon einen Namen?«
»Ja, den meiner Großmutter mütterlicherseits. Und du?«
»Zwei Seelen, ein Gedanke«, grinste Willi. »Ich auch.«
»Gut, dann schauen wir, was sich die anderen ausgedacht haben.« Franz zog seine Füllfeder aus dem Uniformhemd. »Wer sich verschreibt, bleibt zu Hause. Wir haben nur vier gestempelte Pässe. Aber angesichts der SS -Männer, von denen Paul erzählt hat, sollten wir etwas aus Imst herausfahren, in Richtung Arlberg. Mir wäre wohler, so viele Kilometer wie möglich zwischen den Fotografen und uns zu bringen. Ich traue ihm nicht über den Weg.«
»Dann nehmen wir die Tiroler Straße nach Westen und suchen uns irgendwo einen ruhigen Seitenweg«, stimmte Willi zu. »Wenn jemand fragt, dann haben wir eine Panne. Wie lange werden wir bis nach diesem Bangs fahren?«
»Ernst hat die Reste der Karte studiert, aber ich schätze zwischen vier und fünf Stunden«, antwortete Franz. »Schau dir nur den Verkehr an! Wenn die sich alle über den Pass quälen, dann sind wir zu Fuß schneller …«
»Also nichts wie weg von hier«, nickte Willi, reichte die Bilder an Paul und Ernst weiter und schwang sich auf die Rückbank. »Heute Abend sind wir entweder tot oder in der Schweiz.«
Chemin du Beau Rivage 14,
Lausanne/Schweiz
»Spaten, Schraubenzieher, Brecheisen, zwei Taschenlampen, Reservebatterien, ja sogar ein kleines Metallsuchgerät«, staunte Georg, als er einen Blick in den Leinenbeutel warf und das Taxi in den Chemin du Beau Rivage einbog. »Du hast den Eisenwarenladen ausgeräumt.«
»Je besser wir ausgerüstet sind, umso schneller kommen wir ans Ziel«, entgegnete Finch leise. »Vergiss nicht, die Geier kreisen schon … Deswegen bin ich ganz froh, dass wir nicht vom Hotel, sondern von der Stadt her kommen. Wer immer auch im Beau Rivage Palace auf uns lauert, der kann ruhig noch länger warten.«
Der Chemin du Beau Rivage war eine schmale Einbahnstraße, die bergab in Richtung Hoteleinfahrt führte. Rechts lag eine rosa Jugendstilvilla, die etwas vernachlässigt aussah, während links ein kleiner Park mit sauber getrimmtem Rasen, Bäumen und vereinzelten Büschen die weißen Hotelgebäude durchschimmern ließ.
»Lassen Sie uns bitte hier aussteigen.« Finch klopfte dem Fahrer kurz auf die Schulter, drückte ihm zwanzig Franken in die Hand und öffnete die Tür. »Den Rest des Weges gehen wir zu Fuß.«
Am Trottoir stehend, warteten die beiden Männer, bis das Taxi um die Kurve verschwunden war. In der ruhigen, abschüssigen Gasse war kaum Verkehr. Finch blickte sich um. Die
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