Falsch
verloren, habe nichts mehr, wie meine Freunde auch. Keinen Namen, keine Familie, keine Vergangenheit und wahrscheinlich auch keine Zukunft. Ich habe so vieles so lange verschwiegen, mich verstellt und werde nie wieder nach Hause kommen, weil da niemand mehr auf mich wartet. Besser, Sie nehmen sie.«
Damit legte er ihr die Kette in die Hand, drehte sich rasch um und lief aus dem Haus. Franz, Willi und Ernst folgten ihm schweigend.
Als der Magirus vom Hof rollte, wischte sich die Frau die Tränen aus den Augen. Dann öffnete sie die Hand und warf einen Blick auf die Kette mit dem Anhänger.
Zu Tode erschrocken, schlug sie die Hand vor den Mund und stieß ein »Jesus, Maria und Josef …« hervor, dann begann sich alles vor ihren Augen zu drehen.
Chemin du Beau Rivage,
Lausanne/Schweiz
Llewellyn hatte den Mercedes gewendet, der nun mit der Schnauze zum Eingang des Hotels stand. Nachdem sie den Keller wieder verschlossen und provisorisch versperrt hatten, war der Major gemeinsam mit Finch und Gruber auf seinen Beobachtungsposten zurückgekehrt.
»Wenn wir Pech haben, ist Zwingli uns entwischt«, meinte der Major, während er sein Mobiltelefon auf die Mittelkonsole legte. »Wir könnten einfach verschwinden, aber erstens wissen wir noch nicht, wohin, und zweitens würde ich gern den Schweizer im Auge behalten. Er hat drei Mann Verstärkung an Bord und wird im Beau Rivage auf eine Gruppe Südamerikaner warten, die allerdings nie eincheckt. Das wird ihn misstrauisch machen. Ich will nicht, dass er beginnt, seine Beziehungen zum Schweizer Geheimdienst oder zu den Behörden zu aktivieren. Dann haben wir gar keine Chance mehr, nicht einmal die, das Land unauffällig zu verlassen.«
»Was also nun?«, erkundigte sich Georg etwas ratlos. »Sollen wir vor ihm auf und ab paradieren, damit er uns sieht und uns nachläuft?«
»So ungefähr«, erwiderte Llewellyn. »Solange er sich sicher fühlt, ist es ein Alleingang. Und vier Mann können wir durchaus ausschalten oder nach unserer Pfeife tanzen lassen, einen ganzen Geheimdienst oder den Schweizer Zoll nicht.«
»Ich verstehe«, brummte Finch nicht ganz glücklich über die Entwicklung. Andererseits hatte der Major wahrscheinlich mehr Erfahrung in diesen Dingen, als er zugeben würde.
»Was schlagen Sie vor?«, hakte Georg nach.
»Abwarten, bis wir einen Anruf aus London bekommen«, entschied Llewellyn und lehnte sich im Sitz zurück. »Dann sehen wir weiter. Wir versäumen nichts, wenn wir hier sitzen und warten. Es gibt uns auch die Möglichkeit, nachzudenken und ein paar Schritte im Voraus zu planen. Erstens müssen wir dahin kommen, wo der Hinweis uns hinschickt. Zweitens sollten wir Zwingli eine Karotte vor die Nase hängen, damit er nachläuft, und zwar ohne misstrauisch zu werden. Drittens muss es uns gelingen, ihn auszuschalten, und das endgültig.«
Als er den fragenden Blick von Georg im Rückspiegel sah, schüttelte er nur den Kopf. »Nein, nicht was Sie denken, das würde kaum einen bleibenden Erfolg bringen. Zwinglis gibt es immer wieder, einer weniger ist keine Lösung. Wir müssen nicht nur ihn aufdecken, sondern seine Hintermänner, seine Auftraggeber, müssen ihn und sie schachmatt setzen. Sonst ist das wie eine Hydra, deren Haupt immer wieder nachwächst.«
Finch hatte den Kopf zurückgelegt, die Augen geschlossen und grübelte. »Sie haben einen Auftrag, stimmt’s?«, fragte er Llewellyn unvermittelt. »Sie machen das nicht aus Jux und Tollerei oder weil Ihnen in der Pension langweilig ist und Sie das Daumendrehen satthaben.«
Der Major schaute geradeaus durch die Windschutzscheibe und schwieg.
»Lassen Sie mich jetzt einfach mal so vor mich hin fabulieren«, fuhr Finch fort. »Sie wissen genauso wenig wie wir, was am Ende der Spur steht, die Hoffmann gelegt hatte. Aber es ist dem britischen Geheimdienst egal, es betrifft ihn nicht. Sollen sich doch die Schweizer darum kümmern, deren Problem! Dann wären Sie allerdings nicht mehr hier. Also kommt etwas dazu, etwas, das Großbritannien sehr wohl betrifft. Wir können es nicht sein, davon bin ich überzeugt. Die alten Männer sind tot, und wenn ich Ihnen glaube, dann waren es Zwingli und seine Leute, die sie umgebracht haben.« Er lehnte sich zu Llewellyn. »Wovor haben die Schweizer Banken solche Angst? Und was machen Sie noch immer hier?«
»Zwei Fragen, keine Antwort«, entschied Llewellyn kategorisch.
»Dann wünsche ich Ihnen noch einen schönen Nachmittag«, meinte Finch, öffnete die Tür
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