Falsch
fest.
Die Zeit brannte Llewellyn unter den Nägeln, aber er vermied es, auf die Uhr zu schauen. Nach gefühlten zwei Stunden steckte er die Hotelbroschüre wieder in den Ständer und wandte sich zum Gehen. Hatte er da nicht Zwingli hinter einem Pfeiler hervorlugen gesehen? Zufrieden ging er durch die Drehtür hinter zwei Männern in dunklen Anzügen, die seinen Blick vermieden. Dann strebte er der Ausfahrt des Hotelparkplatzes zu, verfiel in einen lockeren Laufschritt und schob sich hinter das Lenkrad des Mercedes.
»Operation geglückt, er hat angebissen«, vermeldete er und startete den Wagen.
Finch nahm das Handy vom Ohr und kritzelte etwas auf die Italien-Karte. »Der Hubschrauber wartet, der Pilot reicht gerade den Flugplan ein. Er hat im Internet nachgesehen und festgestellt, dass man im Park vor der Villa landen kann.«
»Da drüben stehen zwei Männer und beobachten den Wagen«, meldete sich Georg von der Rückbank.
»Perfekt, dann wird es Zeit zu verschwinden.« Llewellyn legte den Gang ein, gab Gas, und der Mercedes schoss davon. Im Rückspiegel sah er die beiden Anzugträger von vorhin durch die Absperrung auf den Parkplatz des Hotels sprinten.
»Das Rennen ist gestartet«, murmelte er. »Möge der Beste gewinnen.«
Institut Peterhof,
St. Chrischona, Basel/Schweiz
Francesca kam lachend auf die Bank im Schulhof zugelaufen, auf der Bernadette und Chris in der Nachmittagssonne saßen. Als sie den jungen Mann sah, bremste sie und zögerte, aber dann gab sie sich einen Ruck und kam näher.
»Hallo Francesca!«, begrüßte Bernadette sie fröhlich. »Schön, dass du nach dem Unterricht noch bei uns vorbeischaust. Das ist Christopher Weber, ein Freund aus München, der für ein paar Tage zu Besuch ist. Wir genießen die letzten Sonnenstrahlen.«
Das junge Mädchen betrachtete Chris aufmerksam und ein wenig vorsichtig.
»Komm, setz dich zu uns«, lud Chris sie ein und rückte etwas zur Seite. »Ich hab schon viel von dir gehört, Bernadette ist ganz begeistert von deinen Fähigkeiten.«
Lächelnd rutschte Francesca zwischen Bernadette und Chris. Verschwörerisch lehnte sie sich zu der jungen Frau und flüsterte: »Ist das dein Freund?«
Bernadette lachte. »Vielleicht …«, flüsterte sie zurück.
»Wie gefällt dir unsere Schule?«, wollte Francesca von Chris wissen.
»Ich habe die alte Villa schon bewundert, als ich durch die Einfahrt kam«, antwortete er. »Ein wunderschönes Haus, perfekt in Schuss. Und die Lage auf dem Sonnenhang … daran könnte man sich gewöhnen.«
»Ein alter russischer Emigrant hat es nach dem Ersten Weltkrieg gekauft und ließ es komplett herrichten«, erzählte Francesca. »Ich habe mich gestern Abend vor dem Schlafengehen ein wenig mit der Vergangenheit von Peterhof beschäftigt. Ich liebe Geschichte!«
»Was hast du herausgefunden?«, wollte Bernadette wissen.
»Samuel Kronstein kam im Winter 1917/18 aus St. Petersburg nach Basel«, berichtete das junge Mädchen eifrig. »Er war der Edelsteinhändler des Zaren und der gesamten russischen Aristokratie. Ein reicher, sehr reicher Mann. Viele Legenden ranken sich um ihn. So sagt man, dass er mit einem ausgehöhlten Spazierstock den Revolutionären entkommen sei und fast sein ganzes Vermögen darin mitnahm.«
»Das verstehe ich nicht ganz«, warf Chris ein. »Wie soll das gehen?«
»Ganz einfach«, strahlte Francesca, »indem er den Stock bis obenhin mit großen Diamanten füllte.«
Weber zuckte zusammen.
»Ist etwas?«, erkundigte sich Bernadette besorgt.
»Nein, nein, nichts«, murmelte Chris und betrachtete angestrengt seine Schuhe. »Ich wollte dir nur etwas erzählen … das auch mit Diamanten zusammenhängt …«
»Ja?«, ermunterte ihn Bernadette.
Etwas verunsichert warf Chris Francesca einen Blick zu. Das junge Mädchen sah ihn, ebenso wie Bernadette, erwartungsvoll an.
»Gut«, gab er nach, »dann hört zu. Es begann damit, dass vor zwei Tagen mein alter VW -Bus abgefackelt wurde …«
Soichiro Takanashi überquerte den Rhein, nahm die Ausfahrt beim Museum Tinguely, bog dann rechts in die Grenzacherstraße entlang des Flusses ein und kontrollierte sein Navi. Noch sechs Kilometer, elf Minuten Fahrzeit bis zur Schule in St. Chrischona. Ob Weber nun da war oder nicht, war eigentlich völlig egal. Wenn nicht, dann würde seine Freundin, diese Bornheim, sicherlich reden wie ein Wasserfall.
Vor allem mit einer Messerklinge am Hals.
Avenue du Grey,
Flughafen
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