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Falsch

Falsch

Titel: Falsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Schilddorfer
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»Ooohh« aus weiblichen Kehlen war die Antwort.
    »Alles in die Schaluppen!«, krähte Sparrow und flatterte auf Finchs Schulter.
    »Falsch, ganz falsch!«, verbesserte ihn Finch. »Das heißt: ›Lichtet die Anker!‹«
    Dann nahm er Fiona am Arm und beide schlenderten zum Ausgang. Durch die offene Tür kam der Geruch des Wassers und des Dschungels. Als sie kurz vor dem Babylon-Café stehen blieben und hinunter zum Fluss sahen, lag der Rio Negro wie ein glänzender Barren schwarzes Gold vor ihnen.
II.
    Die Nacht war kalt und regnerisch, der Westwind schob Packen von dicken Wolken vom Atlantik über die holländische Küste und weiter über das Festland vor sich her.
    In den schmalen Gassen von Amsterdam hatten es selbst die Radfahrer eilig, nach Hause zu kommen. Immer wieder zogen Regenschauer durch, und schwere Tropfen prasselten auf das Kopfsteinpflaster, machten es rutschig. Die Schweinwerfer der Autos spiegelten sich in den Pfützen, und die wenigen Fußgänger drängten sich an den Hauswänden entlang, um nicht völlig durchnässt zu werden.
    Die meisten Touristen wiederum saßen schon lange vor einem Glas Genever oder Amstel-Bier in einer der zahllosen Kneipen. Der Geruch von altem Frittierfett und Zigarettenrauch lag in der Luft, als Kaito Higurashi eilig an den Flohmarktbuden der Waterlooplein vorbei in Richtung Grachten ging. Die meisten Händler hatten bereits ihre Stände geschlossen, nur einige von ihnen saßen noch bei einem Tee beisammen und plauderten, in dicke Jacken gehüllt und unter den Vorzelten zusammengedrängt.
    Seit seiner Ankunft in Amsterdam waren mehr als sechs Wochen vergangen, und Higurashi hatte vergeblich darauf gewartet, eine neue Aufgabe zu erhalten. Nachdem er sich eine kleine Wohnung gesucht und zu Fuß tage- und wochenlang die Stadt erkundet hatte, war die Langeweile sein steter Begleiter geworden. Nach dem aufreibenden Job in Moskau kam ihm Amsterdam wie die vernachlässigte Abteilung in einem vergessenen Museum vor.
    Und Tokio blieb stumm.
    So verbrachte Higurashi seine Zeit damit, Ausstellungen zu besuchen und japanische Restaurants zu testen, da er Haschisch und den Coffee-Shops noch nie etwas hatte abgewinnen können. Die Stadt der Grachten und Brücken, der schmierigen Vorstädte und der johlenden Jugendgruppen, die mit der Bierflasche in der Hand die schmalen Straßen unsicher machten, begann sich auf sein Gemüt zu schlagen. Allein der Gedanke, dass er in Moskau perfekte Arbeit geleistet und das in ihn gesetzte Vertrauen nicht enttäuscht hatte, tröstete ihn über die Auszeit hinweg.
    Hohe, moderne Wohnblocks in Ziegelrot und Weiß säumten die Waterlooplein. Higurashi blieb stehen und legte den Kopf in den Nacken, schaute hinauf zu den erleuchteten Fenstern, hinter denen normale Menschen ihr ganz alltägliches Leben lebten.
    Die Regentropfen fielen in sein Gesicht. Moskau war schlimm gewesen, aber Amsterdam war noch schlimmer.
    Higurashi beneidete die Menschen hinter den Fenstern. Er gehörte nicht hierher. Aber wohin er gehörte, das hatte er inzwischen auch schon vergessen. Er war in einem Niemandsland angekommen, in dem ihn keiner kannte und in dem er keinen kennen wollte.
    Und Tokio hatte ihn jetzt auch noch vergessen.
    Mit schlurfenden Schritten ging der Japaner weiter bis ans Ufer der Gracht, wo die letzten Händler ihre Waren wegräumten und ihn nicht beachteten. So wandte er sich nach links, entlang der Amstel und der Rückseite der Oper, einem schmucklosen Zweckbau, der die Atmosphäre eines verlassenen Hospitals ausstrahlte.
    Die Brücke zur Staalstraat, ganz aus Gusseisen, erinnerte ihn an Paris. Ach ja, Paris, dachte er, das war eine ganz andere Stadt. Voller Kultur und Eleganz, Pracht und Raffinesse. Nach dem Studium hatte er vier Wochen an der Seine verbracht und jeden einzelnen Tag genossen.
    Der Wind zerrte an seinem Mantel, als er die Amstel überquerte. Selbst durch die kleine Fußgängerzone, in der sich ein kleines Restaurant an das nächste reihte, hasteten nur einige Paare auf der Suche nach einem warmen, geschützten Plätzchen.
    Der Spätherbst war keine Jahreszeit für Amsterdam.
    Eines der Paare torkelte leicht, sie kicherte, und er lachte lauthals, dann fingen sie sich wieder und versuchten, so aufrecht wie möglich weiterzugehen. Dabei stolperte der Mann, stieß einen überraschten Laut aus und prallte gegen Higurashi, richtete sich wieder auf und stammelte eine Entschuldigung. Er streckte die Hand aus, einen peinlich berührten Ausdruck in

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