Falsch
die Albatross«, fauchte er. Dann ließ er den schreienden Schweizer einfach fallen.
Serge Crämer hatte sich hochgerappelt und sah sich verzweifelt um. Sein Büro sah aus wie ein Schlachtfeld. Alles schrie durcheinander, die beiden Frauen bemühten sich um den Angeschossenen, das junge Mädchen weinte. Von Zwingli war keine Hilfe mehr zu erwarten. Er wollte auf den geheimen Rufknopf an der Unterseite der Schreibtischplatte drücken, da legte sich eine Hand mit einem eisernen Griff um sein Gelenk.
»Nehmen Sie das Telefon und rufen Sie in der Sicherheitszentrale an«, flüsterte eine Stimme in sein Ohr. »Und denken Sie nicht einmal daran, eine andere Nummer zu wählen. Mein Freund John Finch hier hat völlig recht. Schluss mit der Nettigkeit. Entweder Sie machen, was ich Ihnen sage, oder Sie erleben keine neue Bilanz in diesem Haus. Haben Sie mich verstanden?«
Crämer nickte völlig verstört.
Llewellyn dachte nicht daran, seinen Griff zu lockern. Die Kopfschmerzen verbesserten seine Laune keineswegs. »Beordern Sie den Sicherheitschef mit den Aufzeichnungen der Kameras hier herunter. Er soll die Festplatten mitbringen oder von mir aus den ganzen Computer. Jetzt!«
Der Direktor nickte und begann hastig zu wählen.
Draußen in der Bahnhofstraße ertönten die ersten Sirenen.
Vincente hielt Francesca ihm Arm und versuchte, sie zu beruhigen. Als er einen verzweifelten Blick Fionas auffing, die sich über den Sicario beugte, wusste er, dass es Alfredo nicht geschafft hatte. Tränen rannen über sein Gesicht, während er mit leisen Lauten weiterhin versuchte, Francesca zu trösten.
Wenige Augenblicke später wurde von außen an die Tür des Büros getrommelt. »Sofort aufmachen! Polizei!«
Finch drehte den Schlüssel um und öffnete. Sechs Uniformierte mit gezogenen Waffen stürmten herein. Dahinter tauchte ein völlig aufgelöster Mann im Anzug auf, der eine Festplatte in der Hand schwenkte, während vor dem Haus die nächsten Einsatzfahrzeuge mit quietschenden Reifen anhielten. Laute Kommandos ertönten von der Straße.
John Finch nahm dem Sicherheitschef die Aufzeichnungen aus der Hand und reichte sie Llewellyn. »Für den Mord an Alfredo wandert Zwingli für Jahrzehnte hinter Gitter, aber die Tatsache, dass er ein zwölfjähriges Mädchen erschießen wollte, macht ihn überall auf der Welt zum Paria. Damit ist er erledigt. Für immer.«
Dann beugte er sich zu der Leiche Alfredos hinunter.
Der Sicario schien selbst im Tod noch zufrieden zu lächeln. So als wollte er sagen: »Letzter Auftrag erfüllt … Jetzt kann ich gehen.«
EPILOG
I.
Das Babylon-Café war gut besucht, obwohl es bereits weit nach Mitternacht war. Eine Schiffsladung Matrosen, gemischt mit Touristen und Abenteuerlustigen, die auf den Spuren des Reiseführers Lonely Planet trampten, hatte die alte Spelunke fest im Griff. Auf der Bühne des Baby wiegten sich mehrere Paare zu den schrägen Klängen eines Guitarrero, der sich auch durch eine gerissene Saite an seinem Instrument nicht bremsen ließ.
In den üblicherweise leeren Logen knutschten ein paar Jugendliche, die eigentlich bereits lange im Bett sein sollten, und zwar im eigenen. So aber beugten sich vom ersten Rang ein paar Huren vor, die Pause machten, und feuerten die Jugend an, doch endlich zur Sache zu kommen.
»Zu laut hier«, seufzte John Finch, als er sich auf seinen Stammplatz ganz am linken Ende der Bar schob. »Kann man denn nirgends mehr seine Ruhe haben?«
Roberto, der Barkeeper, griff unter den Tresen, zog die Flasche mit dem achtzehn Jahre alten Bruichladdich-Whisky hervor und stellte sie vor dem Piloten auf die schwarze Marmorplatte. » Boa noite! Und was trinkt dein neuer Freund?« Er deutete auf die Schulter des Piloten.
»Sparrow? Eine Schale Nüsse genügt. Bei Alkohol wird er immer so ausfällig«, gab Finch ungerührt zurück.
» Captain Sparrow!«, krähte der Papagei aufgedreht und wanderte Finchs Arm entlang bis auf die Bar, wo er zwischen den Gläsern und Flaschen herumstolzierte.
»Wo hast du den denn ausgegraben?«, wollte der Barkeeper wissen, während er das Glas des Piloten polierte und es dann neben die Bruichladdich-Flasche stellte.
»Das ist eine komplizierte Geschichte«, murmelte Finch, »vielleicht ein andermal.«
»Du warst lange nicht hier, ich dachte schon, du kommst gar nicht mehr zurück«, meinte Roberto, der diesmal verblüffend wach aussah und mit einem überraschend sauberen Tuch die Gläser verschmierte. »Ist die Reise wieder zu
Weitere Kostenlose Bücher