Falsch
seinem groben Gesicht, aber der Japaner winkte ab und schob sich an dem Betrunkenen vorbei.
Doch er kam nicht weit.
Die Frau war von hinten an ihn herangetreten und drückte ein Stilett in seinen Rücken. »Bleib stehen, Japse«, zischte sie in gebrochenem Englisch in sein Ohr, »sonst sind morgen zwei weitere Spendernieren auf dem Markt.«
»Du hast ein Rendezvous«, erklärte ihr plötzlich völlig nüchterner Begleiter mit dem gleichen Akzent und packte Higurashi am Arm. »Es ist nicht weit. Scheißwetter!«
Der Japaner war völlig verdutzt. Wer konnte ihn in Amsterdam schon kennen? »Das … das ist bestimmt eine Verwechslung«, stammelte er. »Ich bin im Urlaub hier und habe auch kein Bargeld dabei. Glauben Sie mir …!«
»Behalte deine Kröten«, fuhr ihn die Frau an. Der Druck der Messerspitze ließ nicht nach. »Und erzähl keinen Scheiß. Wer macht schon im Herbst Urlaub in dem Kaff? Nur total Bekiffte.«
Higurashi schwieg. Sollte er um Hilfe rufen? Es war kein Mensch auf der Straße und das Messer in seinem Rücken sprach eine deutliche Sprache. Er wäre verblutet, bevor jemand die Gemütlichkeit im Lokal mit dem Regen und dem Wind auf der Straße vertauschen würde.
Der Mann schob ihn in eine noch schmalere Nebenstraße. Verversstraat stand auf dem Schild, auf das jemand einen Sticker »free joints for all« geklebt hatte. Die Schritte der drei hallten zwischen den Häuserfassaden wider, die näher zusammenzurücken schienen.
Die Verversstraat war menschenleer. Warum war Amsterdam ausgestorben, wenn man einmal jemanden brauchte?, dachte sich Higurashi und suchte verzweifelt nach einem Ausweg. Doch da öffnete sich auch schon eine Tür neben einer kleinen Kneipe, deren Fenster dunkel und verstaubt waren. Te Huur , verkündete ein ausgebleichtes Plakat, »Zu vermieten«.
»Bringt ihn her und dann verschwindet!« Der große, kräftig gebaute Mann füllte fast die gesamte Breite der Tür aus. Er packte Higurashi mit eisernem Griff und schickte mit einer nachlässigen Handbewegung die beiden Gestalten auf der Straße wieder zurück in die Dunkelheit.
Ohne Vorwarnung packte er den Japaner im Genick und rammte dessen Kopf an die Wand. Blut schoss aus zwei Platzwunden auf der Stirn, und Higurashi stöhnte auf. Er versuchte sich zu wehren, aber der Mann grinste nur und schleuderte ihn mit voller Wucht durch den langen Gang. Der Japaner rutschte über den Boden, krachte gegen die gegenüberliegende Wand und blieb völlig benommen liegen. In seinen Ohren summte es, und eine Myriade von Sternen tanzte vor seinen Augen.
»Man sagt immer, Japaner seien zäh und hart im Nehmen«, lästerte der Mann, der sorgfältig die Tür abschloss und dann näher kam. Er holte aus und trat Higurashi in die Seite. »Steh auf, Japse, oder willst du liegend sterben?«
Der Tritt schickte eine Schmerzwelle durch seinen Körper, und der Japaner schrie auf. »Lassen Sie mich gehen! Was wollen Sie von mir? Ich kenne Sie gar nicht!«
Der Mann riss ihn hoch und drückte ihn wie eine leblose Puppe mit einer Hand an die Wand. »Ich kenne dich auch nicht, trotzdem werde ich dich umbringen«, erwiderte er ungerührt. »Sagen wir, du hast Feinde, die ich nicht haben möchte, und dir fehlen Freunde, die genügend Einfluss haben. Deine Leute haben dich fallen lassen wie eine heiße Kartoffel.« Er musste aus unerfindlichem Grund über seine eigene Bemerkung kichern. »Wie eine heiße Kartoffel … Das ist gut …«
Higurashi keuchte, weil die riesige Hand des Fremden ihm die Luft abdrückte.
»Vielleicht gab es auch einen Deal mit meinen Auftraggebern? Wer weiß?« Der Mann zuckte die Schultern. »Interessiert mich nicht.«
»Ich … zahle … Ihnen … jede … Summe …«, stieß Higurashi verzweifelt hervor.
»Nope«, antwortete der Unbekannte und schüttelte energisch den Kopf. »Dann wäre ich der Nächste.« Er brachte sein Gesicht ganz nahe an das des Japaners. »Keine Option. Ich möchte nicht auf der falschen Seite der Russen stehen.«
Damit stieß er eine Tür am Ende des Flurs auf und schob Higurashi vorwärts. Die Küche des Lokals, das zu vermieten war, sah aus wie die Fensterscheiben – grau und verstaubt, von einer einzelnen Neonröhre erleuchtet.
»Ausziehen!«, befahl er dem zitternden Japaner und riss ihm den Mantel vom Leib.
Higurashi bäumte sich auf und versuchte zu flüchten, doch er kam nicht weit. Er glitt auf den schmutzigen Kacheln aus, fiel mit dem Kopf gegen eine Herdkante und rutschte wie
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