Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Falsch

Falsch

Titel: Falsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Schilddorfer
Vom Netzwerk:
Luft und das Wasser auf, und das Flugzeug kam behäbig in Fahrt. Der gesamte See lag nun vor ihnen, aber Fiona kam er mit einem Mal verdammt kurz vor.
    »Geht das auch etwas schneller?«, fragte sie und klopfte nervös auf den Geschwindigkeitsanzeiger vor ihr. »Das ist keine endlose Startbahn für einen Airbus, sondern eine etwas größere Badewanne.«
    »Ich weiß, warum ich immer allein fliege«, brummte Finch nur und korrigierte den Kurs mit sparsamen Bewegungen am Steuerrad. Scheinbar in Zeitlupe hob sich der Rumpf der Albatross höher aus dem Wasser und begann zu gleiten.
    In Fionas Augen kam das Ende des Sees rasend schnell näher, viel zu schnell. »Wie lange braucht diese Ente eigentlich, um ihren Arsch aus dem Wasser zu bekommen?«, rief sie verzweifelt.
    »Immer mit der Ruhe. Genießen Sie die Aussicht und gehen Sie dem Piloten nicht auf die Nerven.« Finch blickte scheinbar ungerührt der niedrigen Staumauer entgegen, die das Ende ihrer Startbahn markierte.
    Dahinter ging es in die Tiefe.
    Fiona schloss ihre Augen und überlegte sich, ob sie zu beten beginnen sollte. Da spürte sie, wie sich die Nase der Albatross hob und das Rauschen des Wassers am Rumpf leiser wurde. Als sie die Augen wieder öffnete, rasten sie gerade in wenigen Metern Höhe mit dröhnenden Motoren über die Staumauer hinweg.
    »Jetzt werden wir uns wohl eine Ausrede einfallen lassen müssen«, stellte Finch fest und legte einen Schalter um. Sofort ergoss sich ein Schwall aufgeregter Worte in das Cockpit. »Der Tower macht sich Sorgen, wo wir geblieben sind«, erklärte der Pilot und griff zum Mikrophon. »Zeit für eine gut argumentierte Beruhigungsstrategie.«
    Er reichte Fiona eine Karte. »Machen Sie sich derweil nützlich, wenn Sie schon den Kopilotensitz blockieren, und rechnen Sie aus, wie lange unsere Flugzeit nach Bogotá ist. Der Kurs ist eingezeichnet, unsere Durchschnittsgeschwindigkeit liegt bei hundertfünfzehn Knoten.« Als hätte er den ratlosen Blick über die Gläser der Sonnenbrille vorausgeahnt, fügte er grinsend hinzu: »Das sind ziemlich genau zweihundertzehn Kilometer die Stunde.«
    »Mit oder ohne Nachbrenner? Da bin ich ja im Auto schneller«, maulte Fiona und beugte sich über die Karte.
    John Finch seufzte und drückte den Sprechknopf am Mikrophon. » Tower, this is Charly Bravo Thirteen, we had a slight technical problem …«

Cargo Terminal,
Block B, Airport El Dorado, Bogotá/Kolumbien
    Georg Gruber wischte sich den Schweiß von der Stirn und überlegte ernsthaft, heute früher nach Hause zu gehen. Die drei Räume der International Freight Agency Gruber schienen Teil eines ausgedehnten Saunakomplexes zu sein, in den ununterbrochen aus den Gittern der Lüftungen der nächste Schwall heiße Luft geblasen wurde. Nicht einmal die weit offen stehenden Fenster brachten eine spürbare Abkühlung. Doch dann fiel sein Blick auf den Stapel »Noch zu bearbeitende Anfragen«, und er seufzte. Wenn auch nur aus zehn Prozent der Papierflut, gegen die er jeden Tag kämpfte, fixe Aufträge entstünden, dann wäre er bereits vor Jahren reich und sorgenfrei in Rente gegangen.
    Aber so war es nicht.
    Eine Transportanfrage war schnell gestellt, ein Auftrag jedoch viel schwieriger erteilt. Gruber fragte sich, ob es im Endeffekt nicht völlig egal war, welche Zahlen und Preise er nannte. Manchmal gewann er den Eindruck, dass sowieso keiner seiner potenziellen Kunden die Angebote der IFAG zur Kenntnis nahm oder gar durcharbeitete.
    So wurde die Aussicht auf einen raschen Aufbruch immer verlockender. Aber da waren noch die Megären im Vorzimmer seines Büros …
    Gruber nahm einen Schluck kalten Kaffee, verzog das Gesicht und goss den Rest in den Topf einer Zimmerpflanze neben dem Schreibtisch. »Wohl bekomm’s«, murmelte er, »Kaffee soll ein hervorragender Dünger sein.« Angesichts der traurig hängenden Blätter schien sich das wohl noch nicht bis zur Pflanze herumgesprochen zu haben, und Georg bekam auf der Stelle ein schlechtes Gewissen. Er wollte aufstehen und ein Glas Wasser holen, als das Telefon auf seinem Schreibtisch läutete.
    »Bis zum Regen dauert es noch ein wenig«, meinte er entschuldigend zu dem schütteren Gewächs und hob ab.
    »Da ist jemand am Telefon, der Sie unbedingt persönlich sprechen möchte.« Aus dem Mund einer der Schwestern in seinem Vorzimmer klang das wie ein Affront. Gruber konnte die beiden nie auseinanderhalten, wenn er ihre Stimmen am Telefon hörte. Sie klangen beide gleich

Weitere Kostenlose Bücher