Falsch
seinen Zehntausenden Passagieren etwas anderes einfallen lässt, weil seine Warnung nicht ernst genommen wurde. Haben wir uns verstanden?«
Chris schluckte schwer und nickte wortlos. Sein Blick fiel auf die kläglichen Reste seines Lebens, und ihm wurde mit einem Mal klar, dass er nun heimatlos war. Dann zuckte er hilflos mit den Schultern. »Ich habe trotzdem keine Ahnung, tut mir leid.«
Maringer seufzte. »Dann werden wir uns jetzt in aller Ruhe unterhalten und versuchen, etwas Licht ins Dunkel zu bringen. Am besten in meinem Büro.«
Der schwarze Mercedes war schon weit vom Flughafen entfernt, als der Fahrer auf der A92 bei Moosburg-Süd von der Autobahn abfuhr und die schwere Limousine auf dem Park-&-Ride-Parkplatz ausrollen ließ. Er griff in die Seitenfächer der Fahrertür, zog ein paar Gummihandschuhe hervor, blickte sich vorsichtig um und schleuderte sie ins nächste Gebüsch. Dann holte er sein Mobiltelefon aus der Jackentasche und wählte.
Der Auftrag begann ihm Spaß zu machen.
Embalse La Fe,
Nähe Medellín/Kolumbien
Die frisch gemähte Wiese war zum Wasser hin leicht abfallend. An ihrem oberen Ende, fast am Gipfel des Hügels, stand ein zweigeschossiges Haus mit weißen Mauern und holzverschalten Balkonen. Unter den Nadelbäumen entlang des Ufers wand sich ein breiter, gekiester Weg. Alles machte einen sehr gepflegten Eindruck. Es war windstill, und die Oberfläche des Sees lag fast spiegelglatt vor einem pittoresken Panorama von waldbedeckten Hügeln und Bergketten.
Die Staustufe, die auch der Ursprung des Rio Negro war, zählte zu den beliebten Naherholungsgebieten von Medellín. Trotzdem waren an diesem frühen Nachmittag nur wenige Ausflügler zu sehen. Die meisten saßen in den umliegenden Restaurants und Gaststätten, auf überdachten Terrassen oder unter farbenfrohen Sonnenschirmen und genossen ihr Mittagessen.
Fiona hatte den BMW X5 auf einem Parkplatz nahe am Wasser geparkt, etwas versteckt unter tiefhängenden Ästen. Zwei breite Landzungen reichten weit in den aufgestauten See hinein und machten, aus der Vogelperspektive gesehen, aus dem blauen Oval eine stark eingedellte, grün umrandete blaue Acht.
Auf die westliche der beiden Landzungen führte eine asphaltierte Straße fast bis zum Ufer und endete in einem Parkplatz. Der war das Ziel Fionas gewesen.
Vom nahen Landhaus her erklangen Kinderlachen und das Klirren von Geschirr. Sonst war es ruhig an dem kleinen See, der auf mehr als zweitausend Meter Höhe lag.
Señor Böttcher alias Botero stand an die Motorhaube gelehnt und beobachtete Vincente, der vom Ufer aus flache Steine über die Wasseroberfläche springen ließ, während Sparrow auf dem Armaturenbrett hin und her trippelte und sich offenbar nicht entschließen konnte, nach draußen zu flattern und die unbekannte Umgebung zu entdecken. Von der Rückbank kamen ruhige Atemzüge. Alfredo schlief, und es schien so, als habe sich sein Zustand etwas gebessert. Fiona betrachtete im Rückspiegel den hageren, fast schon abgezehrten jungen Mann mit dem kahlgeschorenen Kopf. Er hatte bisher kaum gesprochen, nur manchmal das Gesicht verzogen, wenn die Schmerzen bei einer Bodenwelle wieder einmal zu stark gewesen waren.
Als sie John Finch am Flughafen hatte aussteigen lassen und wieder angefahren war, hatten es Vincente und Böttcher verwirrt zur Kenntnis genommen und sie fragend angesehen. »Er hat einen Plan«, hatte Fiona nur kurz angebunden festgestellt und war dann ziemlich zügig auf der Landstraße entlang dem Rio Negro westwärts in Richtung Berge gefahren. »Es könnte klappen, wir sollten uns nur nicht verspäten.«
Sie waren zügig vorangekommen, und Vincente hatte sie mit sparsamen Gesten perfekt bis zu dem Parkplatz auf der Landzunge gelotst, die Karte auf dem Schoß.
Und nun? Fiona warf unruhig einen Blick auf ihre Armbanduhr.
War etwas schiefgegangen?
Böttcher schien ihre Gedanken lesen zu können. Er stieß sich ab, trat ans Seitenfenster und schaute Fiona fragend an. In seinen altmodischen Kleidern sah er aus wie ein Pirat, der sein Schiff verpasst hatte und der nun auf einer Sandbank gestrandet war. »Worauf genau warten wir eigentlich? Sollten wir nicht schnellstens nach Bogotá und dann zu Ihrem Großvater?«
Sparrow legte den Kopf schief und krächzte: »Bogotá! Bogotá!«
»Finch wollte es nicht darauf anlegen, mit einem Verwundeten und zwei Passagieren ohne Papiere durch die Polizei- und Zollkontrollen zu kommen«, entgegnete Fiona. »Bei aller
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