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Falsch

Falsch

Titel: Falsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Schilddorfer
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»Du bist dran, Finch. Dein Auftritt!«
    Als es an seiner Tür klopfte, unterbrach Georg Gruber etwas irritiert die Berechnung von zwei Paletten T-Shirts nach Atlanta, Georgia, und sah hoch. Waren die Schwestern bereits gegangen, ohne ihm etwas zu sagen? Er blickte auf seine Armbanduhr und rief: »Ja, bitte!«
    Den Mann, der in der Tür stand und sich wie selbstverständlich neugierig umsah, bis sein Blick auf dem Porträt von Gruber senior über dem alten Safe hängen blieb, hatte Gruber noch niemals gesehen. Hinter ihm tauchten eine attraktive, dunkelhaarige Frau und ein untersetzter Mann in einem unmöglichen Hawaii-Hemd auf, die ihn beide unverhohlen musterten. Von den Schwestern war weit und breit keine Spur.
    In wenigen Sekunden war das kleine Büro überfüllt, und Gruber begann sich unbehaglich zu fühlen.
    »Ist das Ihr Vater?«, erkundigte sich der schlanke Mann mit den kurzgeschnittenen, fast weißen Haaren unvermittelt und wies auf die alte Fotografie. »Franz Gruber?«
    Georg sah von einem zum anderen, völlig überrumpelt. Erst der seltsame Anruf des Japaners, nun die drei Unbekannten, die plötzlich in seinem Büro standen und sich nach seinem Vater erkundigten. Er verschränkte die Arme vor der Brust.
    »Wer möchte das wissen?«, gab er zurück.
    Der hochgewachsene Mann ließ sich nicht beirren. Er kaute an dem Bügel seiner Pilotenbrille und betrachtete das ausgebleichte Porträt wie ein Schmetterlingssammler seine neueste Beute, bevor er sie mit einer Stecknadel durchbohrt.
    »Ich!« Der Unbekannte lächelte, aber sein Lächeln erreichte nicht seine Augen, die unverwandt Gruber senior fixierten.
    Der Mann im Hawaii-Hemd zog einen Ausweis aus seiner Brusttasche und hielt ihn Georg vor die Nase. »Miguel Sanzarra, Sicherheitschef des Flughafens. Sie können die Fragen ruhig beantworten, Señor Gruber, es hat alles seine Richtigkeit, und ich garantiere für Ihren Besuch.«
    Die junge Frau, die Georg unverwandt angesehen hatte, streckte ihm unvermittelt ihre Hand über den Schreibtisch entgegen. »Fiona Klausner«, meinte sie, »ich kann mir vorstellen, dass Sie etwas überrascht sind, Herr Gruber. Nun, dann geht es Ihnen wie uns. Wir dachten, dass die Suche viel länger dauern würde.«
    »Die Suche wonach?«, erkundigte sich Georg ratlos.
    Anstelle einer Antwort wandte sich der hochgewachsene Mann ihm zu, und seine grüngrauen Augen fixierten ihn spöttisch, während er einen einzigen Satz sagte, der Georg sprachlos vor Schrecken machte: »Hatten Sie vor kurzem Besuch von einer Taube, Señor Gruber?«

British Honorary Consulate,
Carrera 42, Itagui/Medellín
    »Wie meinen Sie das genau?«, fragte die Stimme am Telefon nach, und Major Llewellyn ärgerte sich schon allein über den Tonfall, der zwischen Herablassung und purer Verwunderung schwankte.
    »Rede ich in Rätseln?«, gab Llewellyn kalt zurück. »Was verstehen Sie nicht? Meine Männer wurden aufgerieben. Drei sind tot, zwei wurden im Spital verarztet und einer liegt noch auf der Intensivstation. Es ist fraglich, ob er durchkommt.«
    Für einen Augenblick herrschte Stille. Nur das Knacken und Rauschen der Long-Distance-Verbindung verriet, dass die Leitung noch stand.
    »Aufgerieben? Major, das ist kein Krieg und kein Grabenkampf, das ist kein Putsch in Schwarzafrika oder Gefecht mit den Taliban in den Bergen von Afghanistan. Sie sind in der Großstadt Medellín und, bei allem Respekt, die Männer, gegen die Sie …« Die Stimme zögerte einen Moment. »… kämpfen, haben alle bereits ihr Verfallsdatum überschritten. Würde ich nicht Ihre Verdienste kennen, die Vergangenheit Ihrer Männer und deren Auszeichnungen, würde ich glauben …«
    »… glauben heißt nichts wissen«, unterbrach ihn Llewellyn mit einem schneidenden Unterton. »Der alte Mann im Dschungel, dieser Paul Hoffmann, hat mit einer Machete zuerst das Mädchen und dann sich selbst umgebracht. Er hätte auch gegen uns gekämpft, gegen die Übermacht, wahrscheinlich bis zum Letzten, hätte er auch nur eine einzige passende Waffe gehabt. Dann dieser Böttcher. Ich habe keine Ahnung, wie viel Kilogramm Sprengstoff er in seinem Gartenhaus bunkerte, aber er hatte zwei Schiffskanonen, die er auf wenige Meter Distanz auf meine Männer abfeuerte.«
    »Kanonen? Sie meinen richtige Kanonen?« Sein Gesprächspartner war sichtlich um Haltung bemüht. »Mitten in Medellín?«
    »Kaliber 15«, zischte Llewellyn. »Zentimeter, nicht Millimeter.«
    »Ach du …« Die Stimme räusperte sich.

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