Falsche Brüder
Bearbeitung ein
erheblicher Anteil der Hauptkomponente der Erdkruste:
Silizium. Sie entnahmen dieses, wie es schien, auf eine höchst
effektive Weise. Zu gern hätten wir gewusst, wie sie es in
Energie umzuwandeln verstanden oder welche Rolle es dabei
spielte.
Unsere Wissenschaftler mutmaßten, dass sie aus dem
Halbmetall Lichtbatterien herstellten, die ihnen den Strom für
ihre Akkumulatoren lieferten; denn Elektrizität schien
allenthalben der Primärenergieträger zu sein. Für diese Annahme
sprachen riesige, spinnennetzartige Gebilde, die sie um ihre
Raumschiffe breiteten, und auch die Außenhaut der Schiffe, die
in weniger als drei Tagen in einem neuen Glanz erstrahlte.
Den Verdacht nährte ferner, dass sie mit dem Bodenfräsen in
größter Ferne von den Schiffen begonnen hatten und sich
spiralförmig zu diesen hinarbeiteten, hinter sich also lockeren
Boden ließen, der unserer Kampftechnik
Schwierigkeiten
bereiten würde, müssten wir ihn befahren. Natürlich konnten wir
auch mit dieser Spekulation nicht die Kommission befassen.
Ein Gedanke aber quälte mich, trieb mich, und vielleicht war
er der eigentliche Auslöser. Sie wollten die Erde annektieren,
weil sie ihnen für ihre Zwecke geeignet schien. Verließen sie sie,
würden sie erneut zu Vagabunden, zu einer Gefahr für andere
Vernunftbegabte. Nun gut, man hätte sich auf die schäbige
Position zurückziehen können, das sei nicht das Problem der
Menschen. Aber wenn sie keinen anderen Planeten fänden? Lag
da nicht der begründete Verdacht nahe, dass sie im Wissen um
die geeignete Erde eines Tages gewappnet wiederkehren und
zum letzten, wohlvorbereiteten Schlag ausholen würden? Ich
hielt also die Gefahr keineswegs für gebannt, selbst wenn sie,
was ich persönlich nicht glaubte, die Erde tatsächlich verließen.
Für eine solche Annahme sprach auch, dass mit den Elf eine
Kraft unter ihnen fehlen würde, die gegen solche Absichten
aufträte. Und dass sich unter ihnen neuer Widerstand bildete,
schien unter den gegebenen Umständen unwahrscheinlich.
Ich kann auch nicht sagen, dass mir der Entschluss leicht
gefallen wäre oder dass ich ihn leichtfertig gefasst hätte.
Meine Bekannten fragten mich in diesen Tagen, ob ich mich
nicht wohl fühle, ob ich krank sei. Ich hatte in der Tat keinen
Appetit, und der Gedanke, soll ich, oder soll ich nicht, ließ
mich überhaupt nicht mehr los. Ich fand wenig und wenn, dann
unruhigen Schlaf und geriet in jenen Zustand, wo man stets
Gegenargumente aufbaut, deren Widerlegung aber von
vornherein klar ist. Es war, als spielte einer mit sich selbst Schach
im festen Willen, den Scheingegner zu besiegen.
Natürlich wog ich auch ab, wie die Gesellschaft reagieren
könnte. Und es wurde mir zunehmend klar, dass ich mich gegen
sie stellte und sie das nicht ungestraft hinnehmen würde.
Zugleich befand ich mich in einer solchen Phase, die mir das
Leben ohne Dagmar wenig freudvoll erscheinen ließ. Ich
kalkulierte ein, dass ich auf kein Verständnis bei meinen Eltern
stoßen würde, doch im übrigen glaubte ich, dass ich für mich
selbst über genügend Begründungen verfügte.
So verrannte ich mich. Und da ich mir fest vorgenommen hatte,
mich nicht anzuvertrauen – erstens, um mein Vorhaben nicht zu
gefährden, und zweitens, um keinen mit hineinzuziehen –, gab es
also auch niemanden, der mit vernünftigen Argumenten mich
umzustimmen versucht hätte.
Es trieb mich dann die Zeit. Am fünfundzwanzigsten Tag
begab ich mich auf eine systematische Suche, fragte
mich
unauffällig von Einheit zu Einheit durch, streifte mit meinem
Rover in unserem Hinterland.
Ich benötigte einen Tag, um herauszufinden, in welchen
Frontabschnitt diese Raketen verlagert worden waren.
Ein angeberischer junger Offizier erläuterte mir – und aus
dem, was er darlegte, klang Stolz –, dass sie selbstverständlich
nach dem erfolgreichen Beschuss des einen Raumschiffs die
Stellung gewechselt hätten, um einen etwaigen Gegenschlag ins
Leere zu leiten.
Ich trieb mich also eine Weile bei den neuen Stellungen dieser
Raketenwaffe herum, redete mit einigen der Männer, gab mich als
Instrukteur des Stabes aus, was nur halb gelogen war –, und ich
stieß auf eine große Vertrauensseligkeit. Aber, was ich suchte,
fand ich zunächst nicht. Keiner von denen, die ich ausfragte,
wusste etwas über den Verbleib, jener Container, die seinerzeit,
gegen Sicht aus der Luft wohlgetarnt, durch den Wald
schaukelten. Und ich hatte keinen Grund zu der Annahme,
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