Falsche Brüder
ein wenig verdutzt, ging dann mit dem
Bemerken, dass dies ja dem bisher Festgelegten nicht
widerspreche und man sofort reagieren könne, zur
Tagesordnung über, das heißt, er beendete die Beratung.
Am Nachmittag stand an der Kuppel: „Wir wünschen, von euch
empfangen zu werden. Sagt hier, wann.“
Natürlich herrschte bei uns Aufregung, und natürlich
bestaunten mich jene, die am Vormittag meine Bemerkung
gehört hatten.
Suiter, im Begriff, nach Helsinki zurückzukehren, disponierte
um und berief eine nächste Beratung ein.
Die allgemeine Stimmung hatte sich verändert. Die Mehrheit
der Offiziere wollte nun ebenfalls in diesem Angebot ein Zeichen
von Schwäche sehen und sprach sich für ein „Aushungern“ aus –
also nicht auf das Verhandlungsangebot eingehen, zumindest jetzt
noch nicht. Zappeln lassen, heimzahlen! So etwa lautete die
allgemeine Devise.
Suiter ließ der Diskussion einige Minuten ihren Lauf. Dann
brach er sie brüsk ab. „Wir beraten die Verhandlungsdirektive.
Ich selbst werde die Abordnung empfangen. Und wir fordern,
dass ihr Oberster kommt. Denn…“, sein Ton wurde strenger,
und er wandte sich direkt an die Fürsprecher der harten Linie,
„wenn wir nicht zu anderem gezwungen werden, versuchen wir
alles, um auf friedlichem Wege unser Ziel zu erreichen. Ist das
klar?“ Seine Frage schien direkt an Lang gerichtet, dem er damit
eigentlich unrecht tat. „Es könnte sein, die elf verkennen die
Lage“, setzte er versöhnlich hinzu.
Ich durfte von. Anfang bis Ende bei der erneuten
Zusammenkunft zugegen sein, bekam den Auftrag, die
Parlamentäre vor der Kuppel abzuholen, sie zu begleiten und
dem Gespräch beizuwohnen.
Wir bestellten sie zwei Tage darauf.
Protokollarisch hatten wir alles festgelegt, den Weg zum
Beispiel, der durch ein Arsenal aller modernen Waffen führte.
Zwei Unbemäntelte kamen, begleitet von zehn Kugeln, eine
schob eine längliche Kiste vor sich her. Die Mächtigen schwebten
in einer Art durchsichtigen Sänfte, es schien, als wären sie darin
wie in Kunstharz eingegossen. So stoisch betrugen sie sich
zunächst auch.
Am Weg hatten wir Sicherungsposten aufgestellt, aus Furcht,
es könnte einer, dessen Familie man getötet hatte,
Rache
nehmen wollen. Unter den Mannschaften war die Meinung über
Verhandlungen ohnehin geteilt.
Wir hatten ein großes Zelt hergerichtet, es für den
denkwürdigen Tages ein wenig ausgestaltet; denn nicht mein
Besuch bei ihnen vor einigen Tagen, sondern jener nun sollte
der Epoche machende sein. Nun ja, es schien, als ob die
mächtigen Fremden jetzt doch ihre Schwierigkeiten hätten.
Als sie einschwebten – anders konnte man den Auftritt kaum
nennen –, hatte man allerdings diesen Eindruck nicht. Schon das
scheinbar schwerelose Gleiten, dieses Lautlose, die ungeheure
Zartheit der Geschöpfe dazu und ihre erhabene Engelhaftigkeit
strahlten eine derartige Überlegenheit aus, dass einem Zweifel an
der eigenen Stärke und Macht wohl kommen konnten.
Suiter merkte ich an, dass er, der zum ersten Mal mit den
Fremdlingen konfrontiert war, sich diesem Einfluss offenbar
nicht entziehen konnte. Ich sah, dass er Anstalten machte, ihnen
in mehr als freundlicher Geste entgegenzugehen, wie Freunden.
Erst im letzten Augenblick unterdrückte er diesen Drang.
Während die grünen Kugeln in der Schwebe blieben, setzten
sich die Unbemäntelten zu Boden. Dennoch blieben sie in ihrem
durchsichtigen Medium wie eingeschmolzen schweben. Da sie
uns die Gesichter zuwandten, hatte ich den Eindruck, ich sähe
auf wohlgestaltete mittelalterliche Altarfiguren, und das umso
mehr, als sie, kaum dass sie zur Ruhe gekommen waren, sich in
ein Farbgeflirre hüllten, ähnlich dem, mit dem sie uns
empfangen hatten. Ihr Prachtgewand vielleicht.
Suiter stand einen Meter vor uns allen. Er wippte auf den
Füßen, hielt die Hände hinter dem Rücken verschränkt und
walkte unablässig die Finger. Dann machte er eine Art
Verbeugung und sagte nach einem Räusper, bemüht um kühle
Sachlichkeit: „Wir begrüßen euch. Was ist euer Begehr?“ Kurz
angebunden wollten wir sein.
Ebenso kurz und für uns überraschend kam es zurück:
„Waffenstillstand.“ Und, offenbar weil von uns keine sofortige
Reaktion erfolgte, eine Frage hinterher: „So heißt das wohl,
wenn die Waffen schweigen sollen?“
Das bildete einen Aufhänger für Suiter. „So heißt es“,
antwortete er heiser. „Unter welchen Bedingungen?“ Er hatte
sich gefangen.
„Keine, die euch Einschränkungen
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