Falsche Brüder
brächten.“
„Nun, lasst hören.“ Das konnte von oben herab, aber auch
versöhnlich gemeint sein.
„Ihr überlasst uns für den Zeitraum; den ihr einen Monat
nennt, jenes Gebiet, ohne uns anzugreifen. Das ist alles.“
Die Kugel mit der Kiste schwebte vor. Auf einer der Flächen
entstand das kartographische Bild Nordfinnlands;
ein
verhältnismäßig kleiner Teil um das ohnehin evakuierte Dorf
Tirro zeigte eine flirrende Grenze, offensichtlich das betreffende
Gebiet – außerhalb unseres Kessels aber.
„Was soll dort geschehen?“, fragte Suiter mit einiger Schärfe in
der Stimme.
Als ob sie zögerten, kam verspätet die Antwort – übrigens
wusste oder sah man nicht – wer oder dass überhaupt einer
sprach.
„Wir benötigen einige Rohstoffe. Wir finden sie im Boden,
schon unmittelbar in der oberen Schicht. Wir nehmen sie auf,
ohne wesentlichen Schaden zu verursachen.“
„Was heißt ,wesentlich’?“ Suiter ließ sich vom Disput tragen.
Was mit dem Boden geschah, so empfand ich, war im
Augenblick wohl das Unwesentlichste.
„Das heißt, dass danach die entnommenen Bestandteile fehlen.“
„Gut, gut.“ Suiter überlegte, kam selbst zu dem Schluss, dass es
seine Aufgabe jetzt nicht sein konnte, Bodensubstrate zu
erörtern. Er wechselte das Thema, drang zum Kern der Direktive
vor: „Warum reist ihr nicht einfach ab? Wir wünschen nicht,
dass ihr länger auf der Erde bleibt. Mit Verbrechern wollen wir
nichts zu tun haben.“
Viel zu schnell kam für meine Begriffe die Antwort: „Selbst
wenn wir es wollten, wir könnten im Augenblick nicht fort. Wir
müssen…“, er machte tatsächlich in der Rede eine Pause,
„tanken, ja tanken. Dem dient diese Maßnahme.“
„Und danach?“
„Es wäre ein Fehler, wenn ihr annähmt, wir hätten keine
Reserven!“
Im Zelt stand an der Seite ein Tisch, der begann plötzlich wie
wild in der Gasse zwischen den Besuchern und uns
herumzutorkeln, wurde hochgehoben und seitlich so zu Boden
geschmettert, dass nicht nur die Beine abbrachen, sondern auch
die Platte splitterte. Glücklicherweise hatten wir uns alle so in der
Gewalt, dass sich keiner wesentlich rührte, auch wenn wir
überrascht waren.
Und souverän reagierte Suiter: „Lasst diese Mätzchen! Ich habe
gefragt: Was geschieht, wenn wir eurem Wunsch nachkommen
und euch einen Monat das Gebiet überlassen?“
Ich muss gestehen, imponierend fand ich das mit dem Tisch,
aber noch mehr Suiters Reaktion.
„Auch einen Abflug haben wir erwogen.“
„Ich brauche auf meine konkrete Frage eine ebensolche
Antwort. Ich will nicht wissen, was ihr erwogen habt, sondern
was ihr machen werdet.“
Es entstand eine längere Pause, gerade so, als berieten sie
miteinander.
„Wir reisen ab.“
Obwohl jeder von uns gespürt hatte, dass Suiter auf diese
Aussage drängte, kam Bewegung in uns. Eigentlich war es das
Erlösende. Keiner von uns wünschte sich irgendetwas
sehnlicher als dieses, und doch ging Empörung um. Wir
fliegen ab’. So einfach sollen Tausende von Toten abgetan
sein, das Leid, die Zerstörung, überhaupt die entsetzliche
Bedrohung? Wir fliegen ab!’ Ich hatte einen Augenblick den
Drang, die verdammten Glasvitrinen da vorn mit den Fäusten zu
zerhämmern.
Und doch gab es auch Genugtuung in mir. Sie geben auf.
Wir haben es ihnen gezeigt. Die Menschen sind wer, sie wissen
sich zu verteidigen, zu schützen. Ich hatte es gleich gewusst, es
würde nur eine Frage der Zeit sein, dass wir sie in die Knie
zwingen. Oh, ich hätte Dagmar bei mir haben müssen…
Dagmar! „Traue diesen Teufeln nicht“, sagte ich mir. Sie
wollen Zeit gewinnen, uns aufs Kreuz legen. Was ist diesen
Halunken eine Zusage wert. Das wenige, was ich von ihren
Ansichten wusste, zeugte nicht davon, dass sie verlässliche
Partner waren. „Traue ihnen nicht!“ rief ich auf Deutsch. „Denen
kann man nicht trauen.“ Und ich dachte in diesem Augenblick
sogar an die elf und ihre Furcht vor der Basis. Es war sehr
wahrscheinlich, dass sie noch vor uns untergehen würden.
Suiter drehte sich irritiert halb um. Mein Nebenmann versetzte
mir einen Rippenstoß. Mich durchfloss eine Hitzewelle, und
sicher bekam ich einen roten Kopf. Aber Reue ob meiner
Unbedachtheit empfand ich nicht.
„Wir werden euren Wunsch überdenken und prüfen. Wir sind
bereit, euch übermorgen um die gleiche Zeit erneut zu
empfangen, um euch unsere Entscheidung mitzuteilen.“ Suiter
machte wieder seine angedeutete Verbeugung und trat gleichsam
ins Glied
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