Falsche Brüder
von Erde, Blättern und Ästen,
von innen her unfähig, mich zu rühren. Ich fühlte
mich
unendlich befreit, aber auch zu Tode erschüttert.
Da spürte ich Bewegung neben mir.
Fahrig raffte jemand das Geäst von meinem Gesicht. Ich sah
in das Antlitz von Lang über mir, schwarz, den Bart voller
Erdkügelchen. Er bekam mich am Kragen zu fassen, hob mich
an, nicht aus Sorge oder um mir zu helfen, sondern um mich in
ungeheurem Zorn zu beuteln. „Was hast du gemacht, du…!“,
keuchte er. Seine Stimme gehorchte nicht.
Aber da wurde ich ganz kalt. Mit einem Ruck hatte ich die
Arme frei. Ich hieb Lang die Hände gegen die Schultern und stieß
ihn von mir weg. Er verlor das Gleichgewicht, torkelte gegen die
jenseitige Grabenwand und stürzte in das dort im Winkel
zwischen Stoß und Sohle angesammelte Geröll. „Was ich tun
musste, verdammter Idiot!“, knirschte ich.
Er sah mich hasserfüllt an, holte tief Luft. „Darüber wird
noch zu sprechen sein!“
„Bitte.“
Es rappelten sich die anderen auf, Schmutzgeklopfe, Fragen
durcheinander. Dann blickte einer über den Grabenrand.
„Schaut!“, schrie er in ekstatischer Angst, blieb aber mit
aufgerissenen Augen stehen.
Ich wandte mich von Lang ab, stand selbst auf und drehte
mich um. Ringsherum war alles verwüstet. Umgeworfene
Fahrzeuge, Masten, Kriegsgerät, alles in einem Gewirr von
Ästen, bedeckt mit Erde und Steinen, und überall Menschen,
die aus dem Chaos krochen, verwundert, ängstlich, mit sich
beschäftigt.
Jeder schien froh, lebendig zu sein, verfiel aber, sobald er zu
sich gefunden hatte, in Panik.
Dort sah ich die Gefahr! Ich kroch, sprang, rannte zum
Unterstand, zwängte mich durch die Öffnung, die von der Tür
geblieben war.
Drin fand ich relative Ordnung vor. Ich ergriff das Megafon,
sprang nach draußen und schrie: „Soldaten, Achtung, die
Gefahr ist vorüber, helft den Kameraden, sucht
nach
Verschütteten, Verwundeten! Es ist nichts mehr zu befürchten.
Die Okkupanten sind ausgelöscht.“ Ich wiederholte das einige
Mal. Fast hätte ich zu spät erkannt, dass das Geschehen auf
Gegnereinwirkung zurückgeführt werden könnte und die
Kameraden womöglich einen neuen Schlag erwarteten.
Die Worte fruchteten. Es begann – zögernd noch – eine rege
Tätigkeit! Die Menschen krochen förmlich aus der
Erde,
klopften sich ab, riefen sich zu.
Ich suchte mit dem Glas krampfhaft das Gelände ab. Doch die
Atmosphäre blieb zunächst undurchsichtig.
Als ich längst einige ineinander übergehende Trümmertürme
sah, vermeinte ich noch immer, dass ich nicht weit genug zu
blicken vermochte. Aber dann hob sich als schwacher Streifen
der der Lichtung gegenüberliegende Waldstreifen aus dem
Dunst.
Die bizarren Haufen, die dort lagen, waren die Überbleibsel der
stolzen Raumschiffe! Kein Zweifel!
Ich röchelte es durchs Megafon, stand auf dem Wall mit
ausgebreiteten Armen. „Sie sind ausgelöscht…“
In den Gesichtern erblickte ich Unglauben, Erstaunen oder
auch einen Ausdruck, als zweifelte man an meinem Verstand.
Aber immer mehr folgten mit dem Blick meinen ausgestreckten
Armen, und sie sahen es selbst.
Schließlich standen die meisten wie gebannt und starrten dort
hinüber. Und irgendwo am linken Flügel schrie plötzlich einer
„Hurra!“. Das war ein Signal.
Im Ring breitete sich Getöse aus
– lautstarkes Rufen,
Freudenschreie und einzelne Schüsse.
Erst allmählich setzten sich die Offiziere durch, sondierten ihre
Einheiten.
Am frühen Mittag berief Lang den Stab ein. Er gab lakonisch
bekannt, dass die fremden Raumschiffe durch die Explosion
einer so genannten Neonidmine zerstört worden seien. Alles
Lebendige im Umkreis von eins Komma fünf
Kilometern
existiere nicht mehr. Die eigenen Verluste beliefen sich auf zwei
Tote; einhundertzwei Kämpfer seien verwundet, Materialverluste
erheblich.
Ich hatte während Langs Ausführungen feuchte Hände.
Folgerichtig kam er zum Schluss auf das, was mich betraf. „Der
Einsatz der Mine war nicht befohlen. Es liegt ein grober Verstoß
gegen die elementarste militärische Disziplin vor, dessen Folgen
im Augenblick nicht abzusehen, aber unermesslich sind, da sie
kosmische Größenordnung haben.“
Dann trat Lang auf mich zu, stellte sich vor mich hin und
sagte mit unbewegtem Gesicht: „Igor Walrot. Unter
dem
dringenden Verdacht, den Anschlag vorsätzlich mit herbeigeführt
zu haben, suspendiere ich dich mit sofortiger Wirkung vom
Dienst. Du hast dich zur Verfügung zu halten!“
Ein
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