Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Falsche Brüder

Falsche Brüder

Titel: Falsche Brüder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kröger
Vom Netzwerk:
entlang und näherte sich
wenig später aus entgegengesetzter Richtung den zwei still
verharrenden Artgenossen. Eine Streife – also bewachten sie
doch.
Vorsichtig dirigierte ich mein Reittier, ließ es ab und an eine
Weile stehen. Und ich gewahrte, dass andere Kühe ebenfalls
nachtwandelten. Ich benötigte so noch fast eine Stunde, bis ich
meinem Ziel nahe war, dann lenkte ich das Tier zur Rückwand.
Unmittelbar über mir befand sich die Luftöffnung, verschlossen
mit einer feststehenden, halb offenen Streifenjalousie. Schon
wollte ich mich damit befassen, als in einem Abstand von nicht
einmal drei Metern die Wachkugel erneut vorbeiflitzte. Als ich
mich vom Schreck einigermaßen erholt hatte, sah ich zur Uhr.
Eine Stunde und zwanzig Minuten lagen zwischen der ersten
und dieser Kontrolle. Es blieb die Frage, ob auf einen solchen
Turnus Verlass war oder ob womöglich der Wächter nunmehr
bereits nach Minuten wieder auftauchen würde.
Ich steuerte die Kuh unmittelbar unter die Öffnung. Die
Jalousie bestand aus Aluminiumblech und ließ sich sehr leicht
verformen. Durch Hin- und Zurückbiegen gelang es mir schon
nach kurzer Zeit, das Hindernis zu zerstören. Geräusche ließen
sich nicht gänzlich vermeiden. Befand sich im Raum bei den
Menschen eine Wache, war ich verraten.
Nach dem Entfernen von vier Blechstreifen fand ich die
Öffnung groß genug, mich hindurch zu zwängen. Vom Rücken
der Kuh aus war das ein Leichtes. Auf der andern Seite ließ ich
mich hinabfallen, kam auf die Füße, stand benommen, weil im
Stockfinstern. Nur oben, gerade noch erreichbar, lag ein
Schimmer des Fensters.
Ich tastete nach den abgebrochenen Metallstreifen, bog sie
einigermaßen in die alte Lage.
Eigenartigerweise ließ sich
– mit Ausnahme vereinzelter
Vogelstimmen von außen – innen nicht das leiseste Geräusch
vernehmen. Nach meinen Beobachtungen musste ich mich in
dem Raum befinden, in dem die Gruppe, zu der ich wollte,
hineingelotst worden war.
Dann wurde es mir langsam bewusst, ich befand mich in
leeren Stallboxen; wahrscheinlich wurde der Flachbau in der
Mitte durch eine Wand geteilt. Eine winzige Lampe führte ich
mit, aber ich wagte nicht, sie zu benutzen. So entschloss ich
mich, den Morgen abzuwarten.
Obwohl ich dann und wann eindöste – um richtig zu schlafen
fühlte ich mich ohnehin zu sehr erregt –, blieb ich bereit, auf die
geringste Veränderung in meiner Umgebung zu reagieren.
Als sich der Morgen ankündigte, zunehmend traten die
Vierecke der Luftöffnungen aus der Finsternis heraus, begann
ich die Räume zu untersuchen. Es gab eine Trennwand. Diese
tastete ich mich entlang, irgendwo musste es einen Durchbruch
zum Eintrieb der Tiere geben. Als ich ihn erreichte und
vorsichtig um die Trennwand bog, hörte ich auch die Geräusche
schlafender oder ruhender Menschen. Ich zog mich wieder
zurück, ließ mich einige Meter neben dem Durchgang nieder und
nickte dann fest ein.
Geweckt wurde ich durch Schrittgeräusche, Gerede, Klappern
von Gegenständen. Drüben brach man auf, höchste Zeit für
mich. Flach drückte ich mich die Mauer entlang an den
Durchgang heran. Es war dämmrig, aber hell genug, die
Räume zu überblicken. Ich lugte um die Ecke. Mir gegenüber
befand sich das Tor zum Hof, das einen Spalt offen stand.
Dann erschrak ich ein wenig, als eine laute, steife Stimme rief:
„Wir beginnen jetzt die Arbeit.“ Der Satz wurde zweimal
wiederholt, kein Zweifel, ein Grünkugeliger ordnete an.
Wenig später zog die Gruppe an mir vorbei, müde, zerknittert.
Sie schliefen sicher in Kleidern, blieben ungewaschen, und
womöglich war die abendliche die einzige Mahlzeit des Tages.
Sie sprachen kaum miteinander, und ihre Gesichter glichen
beinahe denen jener, die durch die Glocke gegangen waren. Es
fiel daher im Dämmerlicht des Stalles und im gleichgültigen,
müden Trott der Arbeiter nicht auf, als ich mich mit einem
Ausfallschritt, sofort in den gleichen Gang verfallend, gesenkten
Hauptes einreihte.
Vor dem Tor schwebte eine grüne Kugel. Wir zogen an dieser
vorbei, mein Herz schlug bis zum Hals. Zählte dieser Aufpasser?
Ich wagte einen Blick zurück.
Als niemand mehr das Tor passierte, flitzte der Grüne hinein,
kam nach wenigen Augenblicken zurück, schloss sich uns an.
Es war also leichter abgelaufen, als ich je zu hoffen gewagt hätte.
Nun musste ich nur noch mit meinen neuen Kameraden
zurechtkommen. Bisher war ich keinem als Neuling aufgefallen.
An der Arbeitsstelle wurden wir von den

Weitere Kostenlose Bücher