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Falsche Brüder

Falsche Brüder

Titel: Falsche Brüder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kröger
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drei-, viermal nach den freundlichen
Hinweisen Nemos „verlieren“, da und dort nachzerren, niemand
nahm Notiz davon. Das heißt, einer doch: Fred. Ich sah ihn
mehrmals über mein Ungeschick missbilligend den Kopf
schütteln, etwas vor sich hin brummelnd. Dass Nemo den
Greifer unsinnig hin- und herschwenken ließ, das
Zupackkommando verzögerte, gewahrte Fred offenbar nicht.
Möglicherweise konnte er sich darüber kein Urteil bilden. Ich
weiß nicht, ob es mir aufgefallen wäre, hätte mich Nemo nicht
auf sein Tun aufmerksam gemacht.
Nach dem vierten Bogen schwebte eine Kugel an Nemo heran
und sagte in normaler Lautstärke: „Pause.“
Nemo legte die Hände an den Mund und rief: „Pause.“
Die Arbeit ruhte schlagartig. Müde schritten die Arbeiter auf
das Haus zu, und sie sprachen, obwohl es nun erlaubt schien,
kaum miteinander.
Ich schloss mich an, hatte den Eindruck, dass sich Nemo
absichtlich an meine Seite schob. Niemand schien an meiner
Anwesenheit Anstoß zu nehmen. Sie strebten zur Tür, drängten
sogar.
Als ich eintrat, gewahrte ich, warum: Im Trog, der ehemals den
Kühen als Tränke gedient hatte, lagen unsortiert zum Teil
verdorbene Äpfel und Bananen, Möhren, Blumenkohl,
Orangen, Kondensmilchdosen, Zwiebeln und rohe Kartoffeln.
Jeder versuchte, das Ansehnlichste zu erwischen. Die Zugriffe
waren gierig, die Gesichter verbissen, das Verhalten egoistisch,
rücksichtslos.
Mich wunderte das. Sollte die gemeinsame Gefangenschaft
nicht zu verstärkter Solidarität, zum Gemeinsinn führen? Ich
hielt mich zurück, verspürte aber Hunger, bekam dann einen
gedrückten Blumenkohl und einige fleckige Orangen ab. Nemo
erging es ebenso. Fred, den ich bereits auf der Schütte sitzen und
kauen sah, hielt schützend mit dem linken Arm mehrere
Milchdosen und ansehnliche Äpfel im Schoß.
Ich setzte mich ein wenig abseits. Es roch nach Stall und
Schweiß.
Wie zufällig nahm Nemo neben mir Platz. Er biss in eine
Möhre, kaute, sah geradeaus und sagte dann undeutlich: „Also,
Igor – wie kommst du hierher?“ Es klang nicht wie eine Frage,
sondern wie eine Aufforderung zu reden, die keinen Widerspruch
duldete.
Lange zögerte ich nun nicht mehr. Ich gestand Nemo das
Wesentlichste aus meinem Auftrag. Er schien mir
vertrauenswürdig, war eine verlässliche Stütze im Notfall, und er
bildete eine notwendige Brücke zur Kommunikation, von der
ich noch nicht wusste, wie sie zu begehen war.
„Mut hast du“, bemerkte Nemo.
„Ich hatte kaum eine Wahl“, entgegnete ich. Es sollte ein
Scherz sein, wenn ich aber recht überlegte – so abwegig war der
Gedanke nicht.
„Wie das weiter verlaufen wird, weißt du nicht“, stellte Nemo
fest.
Ich nickte und bat, er möge mir einiges aus seinen bisherigen
Erkenntnissen mitteilen. Danach hatte man ihn als einen der
ersten – für diesen Standort – in einem Personenkraftwagen, in
dem er sich auf der Flucht nach Süden befunden hatte, mit vier
anderen gekidnappt, von denen man zwei verschleppt und zwei
zu Erdtransportern gemacht hatte. Weshalb er nun von
Anbeginn an Sprecher sein durfte, wusste er nicht zu sagen. Die
Gruppe sei erst in den letzten Tagen auf diese Stärke gebracht
worden. Die Leute seien verstört, verängstigt, würden die Befehle
sklavisch einhalten, aus Furcht, zu Erdarbeitern gemacht oder
getötet zu werden. Vor zwei Tagen hätten die Grünen einen
Fluchtversuch vereitelt, in dem sie die zwei Leute einfach
niederstreckten und liegen ließen. Das und die stumpfsinnigen
Gesichter derer aus der anderen Gruppe schüchterten ein,
verhinderten bislang eine Einigung im Handeln, vielleicht trage
dazu auch die nach seiner Meinung falsche Hoffnung bei, wenn
das Objekt fertig sei, wieder entlassen zu werden. Deshalb auch
der Arbeitseifer einiger – und die zuvorkommende Willfährigkeit;
wäre die Situation mit den Kugeln nicht so grotesk, könnte man
Speichelleckerei sagen. Das sei ekelhaft. Nur einige wenige –
zwar auch zurückhaltend – wären möglicherweise für diese oder
jene konkrete Aktion zu gewinnen.
„Flucht?“
Er schüttelte den Kopf. „Man weiß nicht, ob und wohin sie
sehen, ob sie andere Sensoren oder eine
Automatenüberwachung einsetzen. Man könnte höchstens
nachts…“
„Sie besitzen zwei Augen wie wir.“
Nemo blickte verwundert.
„Ich habe gesehen, was in der grünen Kugel ist. Wesen wie
Engel.“ Ich winkte ab. „Weißt du, was hier angebaut werden
wird in diesen Häusern? Es soll davon mindestens noch

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