Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Falsche Brüder

Falsche Brüder

Titel: Falsche Brüder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kröger
Vom Netzwerk:
mischen, eine
Weile unter ihnen leben würde, beobachten und dann… Ja, und
dann? Dieses „und dann“ zeichnete sich außerordentlich
nebulös ab. Es konnte eigentlich nur Flucht heißen.
    Der nächste Tag verlief ruhig. Die Arbeiten gingen zügig
weiter. Neue Gefangene kamen nicht – hatten sie genügend
Arbeitskräfte? Ich bangte, dass sie gar zählen mochten. Das
allein könnte unsere Pläne zum Scheitern bringen. Aber sie
trieben die Sklaven früh so auf die Plätze, wie sie sie am Abend
weggeleitet hatten. Nichts deutete auf eine Kontrolle hin.
    Unser Flugzeug ließ sich nicht sehen. Hatten sie es erwischt?
Offenbar erschien den Unseren das Risiko zu groß.
Es fiel mir auf, dass eine grüne Kugel stets mit einem
bestimmten Mann mehrmals am Tag für Minuten dicht
beisammen stand. Ich beobachtete die beiden scharf und glaubte
festzustellen, dass der Mann mit diesem Aufseher
sprach.
Zunächst sah es immer so aus, als bekäme er etwas gesagt,
worauf er dann antwortete, ja sich mitunter ein
Disput
entwickelte. Also fand dort eine Verständigung statt. Dort
musste ich sein. Diese Entdeckung enthob mich
der
Entscheidung, zu welcher der Menschengruppen ich
mich
schlagen würde. Fast hätte ich die andere vorgezogen, weil diese
überhaupt nicht bewacht wurde. Die Unglücklichen waren
programmiert, würden also keinen Widerstand leisten, keine
Bedürfnisse entwickeln außer jenen, die für sie bestimmt waren.
Dort schien es mir zunächst leichter, ungestört beobachten zu
können, schon weil ich nicht befürchten musste, von den
eigenen Leuten in Schwierigkeiten gebracht zu werden, da sie
natürlich mein freiwilliges Hinzugesellen bemerken und daraus
möglicherweise Hoffnungen schöpfen würden, ihre eigene Lage
zu verbessern. Da sie scharf bewacht wurden, konnte die
Aufsicht einer solchen Bewegung leicht gewahr werden.
Am späten Nachmittag umrundeten wir, entgegengesetzt
pirschend, das gesamte Objekt. An der Rückfront der Ställe
befanden sich Luftschleusen. Wenn überhaupt, schien dort ein
Einstieg möglich. Wachen auf der Rückseite entdeckten wir nicht.
Je näher der Feierabend rückte, desto unruhiger wurde ich.
Verabredungsgemäß rückte Sven zu mir. Wir stimmten uns noch
ein wenig ab, das meiste musste ohnehin so genommen werden,
wie es sich ergeben würde.
Sven zeigte sich ebenfalls voller Unruhe, und er versuchte, auch
unter Hinweis auf das ausgebliebene Flugzeug, mich zu
überreden, die Unternehmung gemeinsam zu
starten.
Vereinbarungen und Order seien nichts Starres. Man müsse
sich den Gegebenheiten anpassen.
Ob ich ihn überzeugt hatte, dass es dennoch für uns besser
sei, wir trennten uns, wusste ich nicht. Es wurde Zeit für mich.
Im letzten Augenblick kam mir eine Idee. Bisher erschien es
mir am Schwierigsten, mich dem freistehenden Objekt zu
nähern, ohne bemerkt zu werden. Die Polarnacht blieb
durchsichtig. Buschwerk nahe der Gebäude fehlte. Ich hätte
riskieren müssen, beim Annähern ertappt zu werden.
Selbstverständlich wäre es für die anderen dann ein Leichtes
gewesen, mich auszuschalten. Dennoch, ich hätte es so gewagt,
weil es eine andere Lösung scheinbar nicht gab.
Aber: Um mich herum standen und lagen wiederkäuend Kühe.
Sie gehörten ins Landschaftsbild, daran hatten sich auch die
Außerirder gewöhnt. Wenn ich also…
Es war noch nicht so dunkel, dass ich nicht hätte wählen
können. Dennoch wurde der erste Versuch ein Reinfall. Als ich
mich auf das Tier, das mir gutmütig erschien, setzen wollte,
wurde es bockig, drohte auszubrechen. Da sprang ich lieber
wieder ab.
Dann hatte ich Glück. Ich schwang mich auf eine Kuh, die
scheute ein wenig, stand offenbar erschrocken, brummelte vor
sich hin und ging dann wie verstört einige Schritte. Ich redete
ihr, tief zu den Ohren gebeugt, gut zu. Nur allmählich ließ sie
sich durch Schenkel- und Fersendruck bewegen, langsam den
Hang hinunterzutrotten. Ich lag so flach, wie ich nur konnte, auf
ihrem Rücken, klammerte mich mit Armen und Beinen fest,
versuchte dennoch, den Blick nach vorn frei zu halten.
Im offenen Hof, den die Gebäude flankierten, glaubte ich die
Schemen dreier Kugeln zu erkennen, die bewegungslos
beieinander standen. Doch plötzlich, ich wäre deswegen beinahe
zu Boden gegangen, setzte sich eine ruckartig in Bewegung, kam
auf mich zu, hielt an der Gebäudeecke jedoch an, bog
rechtwinklig zum Giebel hin ab, änderte erneut den Kurs, flitzte
die Rückseite – mein Ziel – des Hauses

Weitere Kostenlose Bücher