Falsche Froesche
Kochkunst vom Esstisch aufzustehen und sich in voller Montur auf Ihr Bett zu werfen, um Sekunden später zu schnarchen, dass die Wände wackeln, stößt Ihnen zunehmend auf. Was Sie einst als Unverklemmtheit und als Zeichen dafür, wie zu Hause er bei Ihnen ist, interpretierten, ist schlicht und ergreifend schlechtes Benehmen.
Eines Abends gehen Sie mit Freundinnen essen. Sie genießen die Leichtigkeit des Beisammenseins, gepaart mit einem lange vermissten Wohlgefühl. In der Trattoria, die sich pikanterweise in unmittelbarer Nähe von Lovers Wohnung befindet, gibt es keine Türglocke, hier sind Sie sicher, hier kann keiner Sturm nach Ihnen läuten.
Auf dem Heimweg, beschwingt vom Chianti und vom Lachen, ereilt Sie ein Geistesblitz: Sie werden jetzt auch einmal spontan sein. Zwei Gassen weiter, schon stehen Sie vor seinem Haus und läuten. Das »Ja?« aus der Gegensprechanlage klingt äußerst unwirsch. Gut, zu diesem Zeitpunkt weiß er noch nicht, wer Einlass begehrt.Fröhlich teilen Sie mit, dass Sie ihn besuchen kommen. Das gehe nicht, tönt es aus dem Lautsprecher, er sehe einen spannenden Film und möchte nicht gestört werden. Sie lachen, drücken die Handfläche gegen das Haustor und warten auf das Summen des Türöffners. Stattdessen Schweigen aus der Gegensprechanlage. Die ungläubige Nachfrage, ob es sich um einen Scherz handle, wird verneint. Fassungslos gehen Sie ab.
Während Sie geohrfeigt heimwärts trotten, verwandelt sich der Schock in Wut. Am Haustor hat Ihre zittrige Hand noch Mühe, den Schlüssel ins Schloss zu stecken. Als Sie aber Ihre Wohnungstüre öffnen, ist an die Stelle der Wut ein unbändiges Lustgefühl getreten. Sie drehen alle Lampen auf, Zimmer um Zimmer erstrahlt in Festbeleuchtung. Sie atmen tief und frei. Lächelnd denken Sie an Lovers nächsten Invasionsversuch. Das Arschloch wird läuten, bis ihm der Finger abbricht.
Der Alkoholiker
Alles seit je. / Nie was anderes. /
Immer versucht. / Immer gescheitert. /
Einerlei. / Wieder versuchen. /
Wieder scheitern. / Besser scheitern.
Samuel Beckett
FALLE
Er feiert das Leben.
HIMMEL
Wie schön das Leben sein kann, fast hätten Sie’s vergessen. Da schickte der Himmel zur rechten Zeit diesen fidelen Mann, mit dem Sie seit zwei Wochen durch die Nächte ziehen. Er hat Ihnen die Augen geöffnet, Ihnen gezeigt, dass unser Alltag voller kleiner Freuden steckt. Man muss nur lernen, sie zu sehen. Und, vor allem, gebührend zu feiern. Ein neues Projekt wird mit Veuve Cliquot begossen, zum Wiedersehen mit alten Freunden gehören Bier und Wodka, und Rioja passt immer, denn mit Rotwein prosten wir dem Leben zu.
Sie fühlen sich wieder wie mit 20. Gott, ist das lange her, dass Sie mit Ihrer Clique bis zum Morgengrauen gelacht, getrunken und getanzt haben. Zwar schaffen Sie es nicht mehr, wie damals nach der Disco, in der Frühe nach Hause zu gehen, heiß-kalt zu duschen und ohne eine Sekunde Schlaf putzmunter zur Arbeit zu marschieren. Aber drei Stunden Nachtruhe genügen. Mehr ist nicht drin, wenn Sie mithalten wollen.
Ihnen ist wohl im Schlepptau Ihres Lovers, seine enorme Geselligkeit, um die Sie ihn insgeheim ein wenig beneiden, fasziniert Sie. Welches Lokal auch immer Sie beide betreten, in jeder Bar, jedem Gasthaus, ja, in der letzten Kaschemme tönt ihm lautes Hallo entgegen. Der Mann hatüberall Freunde. Schnell klingen die Gläser, und es dauert mindestens zwei Bier und zwei Wodka, bis er sich loseisen und weiterziehen kann.
Hut ab vor seiner beachtlichen Kondition. Während Sie ab Mitternacht nur Mineralwasser trinken, weil Sie sonst anderntags nicht arbeitsfähig wären, und gegen drei Uhr morgens sachte zum Aufbruch drängen, kennt er kein Ende. Je näher der Sonnenaufgang, desto größer sein Durst. Wenn seine Freunde schlappzumachen drohen, bestellt er Wodka für alle. Runde um Runde. Der Mann ist nicht nur voller Lebenslust, sondern auch von Herzen großzügig.
Dass die Kumpane sich widerstandslos einladen lassen, Nacht für Nacht, ohne je auch nur pro forma das eigene Portemonnaie zu zücken oder, Gott behüte, im Gegenzug vielleicht einmal seine Zeche zu übernehmen, finden Sie befremdlich. Im Grunde geht Sie das nichts an, es ist nicht Ihr Geld, das hier verpulvert wird. Außerdem sind diese Freundschaften viel älter als Ihre Liebesbeziehung. Was wissen Sie schon. Womöglich haben die Jungs Ihrem Lover in einer schweren Zeit geholfen, und er zeigt seine Dankbarkeit. Egal. Es macht ihm sichtlich Freude, anderen Freude
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