Falsche Geliebte, richtiger Mann? / Eine Spur von Leidenschaft / Liebesnacht vorm Hochzeitstag
ließ sie weiterreden.
„Erst wurde innerhalb des Bundesstaats gesucht, dann landesweit. Aber es ergab sich keine einzige Spur. Mein Dad nahm sich beruflich eine Auszeit von einem Jahr und suchte selbst nach meinem Bruder. Unsere Mom war an Krebs gestorben, als Jeremy erst vier war, und mein Dad konnte den Gedanken nicht ertragen, noch ein weiteres Familienmitglied zu verlieren.“ Bedrückt schüttelte sie den Kopf. „Lange Zeit habe ich mir die Schuld gegeben. Ich hatte länger als nötig bei meinem Schließfach gestanden, weil ich noch mit einem Jungen reden wollte, den ich mochte. Wenn ich gleich losgegangen wäre, hätte Jeremy vielleicht noch dort gesessen und auf mich gewartet. Vielleicht war er nur allein losgegangen, weil ich nicht kam, und auf dem Heimweg hat ihn dann jemand gekidnappt.“
„Du darfst dir nicht die Schuld geben.“ Er strich ihr das Haar aus der Stirn. „Damals warst du ja selbst noch ein Kind. Wer immer deinen Bruder entführt hat, ist der Schuldige, nicht du.“
Sie hustete, und Cade reichte ihr sein Stofftaschentuch.
„Das weiß ich, aber ich werde das Gefühl nicht los, dass ich mehr hätte tun können. Immer wieder male ich mir die entsetzlichsten Dinge aus, die ihm zugestoßen sein können. Mein Dad hat mir nie die Schuld gegeben. Er sagte immer, er glaube daran, dass jemand gesehen habe, was für ein wundervoller kleiner Junge Jeremy war, und dass man ihm ein schönes Zuhause gegeben habe. Leider läuft es in unserer Welt nicht so, und das wusste ich auch damals schon.“
Cade strich ihr übers Haar.
„Am Ende des Jahres, in dem Jeremy verschwand, nahm mein Dad mich aus der Schule und gab mir einen Privatlehrer, damit wir gemeinsam die Welt umreisen konnten. Er hat mich kaum noch aus den Augen gelassen. Erst als ich zu studieren anfing, ließ er mich gehen, aber auch heute noch bekomme ich täglich mindestens eine SMS, obwohl er mittlerweile wieder verheiratet ist und mit seiner neuen Frau zwei Söhne hat.“
„Möglicherweise hat dein Dad recht, was Jeremys Entführer betrifft. Man hört immer wieder von Frauen, die zu allem bereit sind, um an ein Kind zu kommen. Hast du jemals versucht, über die Info-Kanäle von Stonegate etwas herauszubekommen?“
Patience zuckte mit den Schultern. „Hin und wieder habe ich daran gedacht, aber …“
„Aber was?“
„Was, wenn ich tatsächlich eine Spur finde und sich meine schlimmsten Befürchtungen bestätigen? Manchmal ist es vielleicht besser, wenn man keine Gewissheit hat.“
„Es überrascht mich, dass du das sagst. Als du den Fall meines Dads übernommen hast, hast du gesagt, er verdiene es, in Frieden zu ruhen. Das bedeutet doch aber, dass man herausfinden muss, was ihm zugestoßen ist.“
Sie gab ihm einen leichten Stoß. „Hör auf, meine eigenen Argumente gegen mich einzusetzen, Cade.“
„Ha! Ich kenne da eine ziemlich sture Frau, die alles daransetzt herauszufinden, was mit meinem Dad passiert ist. Sie sollte ihre Fähigkeiten mal für ihre eigenen Zwecke einsetzen. Wissen deine Freunde und Kollegen bei Stonegate denn von deinem Bruder?“
Sie seufzte. „Nein, ich habe ihnen nie von Jeremy erzählt.“
„Du solltest es wenigstens versuchen, Patience. Die letzten zwei Wochen waren für mich nicht einfach, aber ich würde die Erkenntnis, dass mein Vater sich nichts zuschulden kommen lassen hat, für nichts eintauschen. Wenigstens kann ich jetzt mit der Vergangenheit abschließen. Auch du verdienst diesen inneren Frieden. Vielleicht lebt dein Bruder auch irgendwo und fragt sich, wo du bist.“
„Ich könnte aber auch herausfinden, dass er tot ist.“
„Ja, das wäre möglich“, entgegnete er vorsichtig. „Aber zumindest hättest du Gewissheit.“
Eine Weile saßen sie schweigend nebeneinander.
Cade wollte ihr den Schmerz nehmen. Dank der Fusion war er ein reicher Mann, und wenn Patiences Freunde ihr nicht ohne Bezahlung helfen wollten, dann würde er die Suche finanzieren.
Du steckst tief drin, sagte er sich. Ganz tief drin.
Sanft küsste er sie auf den Kopf, und sie sah ihn an.
„Ich brauche etwas von dir, Cade, und es ist mir peinlich, dich darum zu bitten.“ Ihre Stimme war sehr leise.
„Sag es mir. Ich tue alles für dich, Patience.“
„Schlaf mit mir, Cade. Jetzt. Hilf mir zu vergessen.“
Ein paar Sekunden lang sah er ihr in die Augen und erkannte das Verlangen in ihrem Blick.
„Bitte. Lass mich nicht betteln.“
Mit einer Hand umfasste er ihren Nacken, küsste sie heiß und
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