Falsche Geliebte, richtiger Mann? / Eine Spur von Leidenschaft / Liebesnacht vorm Hochzeitstag
dachte daran zurück, wie er das erste Mal geritten war. Nach nur wenigen Runden war er vom Pferd gefallen. „Entweder gibst du jetzt auf und setzt dich nie wieder auf ein Pferd“, hatte sein Vater sehr einfühlsam gesagt, „oder du steigst gleich wieder auf und zeigst dem Tier, wer hier der Boss ist. In jedem Fall bin ich sehr stolz auf dich, mein Sohn, ganz egal, wie du dich entscheidest.“
Cade hatte sich wieder aufs Pferd gesetzt und war geritten, bis seine Mom seinen Dad und ihn zum Dinner ins Haus gerufen hatte. Beim Essen hatte sein Vater ihn voller Stolz angesehen.
Jetzt spreizte er die Hände auf den Schenkeln und rang nach Luft. Ihm brannten die Augen, doch er kämpfte gegen die Tränen an. „Wer immer das getan hat, ich bringe ihn um“, schwor er sich.
„Ich kann dich verstehen.“ Patience war ihm gefolgt und legte ihm eine Hand auf die Schulter.
Die Berührung war wie Balsam für seine Seele.
„Durch den Ring ist alles real für dich geworden“, stellte sie leise fest. „Zum ersten Mal seit Jahren.“
Immer noch sah Cade starr zu Boden. Hatte sie einen ähnlichen Schmerz durchlebt wie er? Der Gedanke ließ ihn ruhiger werden. Der Drang, sie zu trösten, war stärker als der Schmerz.
„Es tut mir leid. Das ist wahnsinnig ungerecht.“ Sie atmete tief durch. „Und falls es dir hilft: Wahrscheinlich würde ich dir dabei helfen, den Mörder deines Vaters umzubringen.“
Cade hörte den zornigen Unterton und richtete sich wieder auf.
„In gewisser Weise beneide ich dich.“ Ihre Stimme stockte.
Über ihre Wange lief eine Träne. Wie kann sie mich beneiden? fragte er sich. Mein Vater wurde ermordet. „Wieso?“
Sie schüttelte den Kopf und wischte die Träne mit der Faust weg. „Tut mir leid, das klingt entsetzlich. Ich meinte damit nur, dass du wenigstens weißt, was mit ihm geschehen ist. Das ist zwar hart, aber du brauchst dich nicht mehr zu fragen, warum er verschwunden ist. Ich dagegen werde wahrscheinlich nie erfahren, was Jeremy passiert ist.“
„Wer ist Jeremy?“ Cade war sich zwar nicht sicher, ob er es wissen wollte, aber er spürte, dass sie darüber reden musste, und irgendwie war es gut, sich von seinem eigenen Kummer abzulenken.
„Er … das spielt im Moment keine Rolle.“ Ihre Stimme klang erstickt. Sie kämpfte, um nicht die Fassung zu verlieren.
„Erzähl mir von ihm.“ Er strich ihr über einen Arm und sah ihr dabei in die Augen.
„Hier geht es nicht um mich, Cade.“ Ihre Stimme klang heiser. „Hier geht es um dich. Wir müssen in die Stadt fahren und dem Sheriff zeigen, was wir gefunden haben.“
Er ließ sie nicht los. Behutsam führte er sie zum Truck und hob sie auf die Ladefläche. Dann setzte er sich neben sie.
Patience senkte den Kopf. Als sie zitternd Luft holte, legte Cade ihr einen Arm um die Schultern. „Jeremy ist mein Bruder“, sagte sie schließlich.
Sie schmiegte sich enger an ihn und schlang die Arme um seinen Oberkörper, als sei Cade ihr Anker im Chaos der Empfindungen.
Er zog sie dichter an sich.
„Ich war dreizehn, da war er gerade sechs. Jeden Tag habe bin ich mit Jeremy gemeinsam von der Schule nach Hause gegangen. Er hatte eine halbe Stunde früher Schulschluss als ich, und weil meine Schule gleich gegenüber von seiner war, saß er immer auf den Stufen vor dem Eingang und wartete auf mich. Aber eines Tages war er nicht da.“
Sie atmete tief durch. „Zuerst war ich wütend, weil ich dachte, er sei weggelaufen. Ich habe auf dem Spielplatz gesucht und bin dann zurück zu seiner Schule gegangen. Seine Lehrerin hat dafür gesorgt, dass das ganze Schulgebäude abgesucht wurde, und ich bin von einem seiner Freunde zum anderen gelaufen, um zu hören, ob ihn vielleicht jemand gesehen hatte. Aber das letzte Mal, dass er gesehen wurde, hatte er auf den Stufen vor der Schule gesessen.“ Ihre Stimme zitterte. „Dann habe ich Dad angerufen.“
Sie blickte hoch, und der Schmerz in ihrem Blick tat Cade fast körperlich weh. Bis eben war sie noch eine selbstbewusste junge Frau gewesen, jetzt war sie wieder das verängstigte Mädchen von damals.
„Die Polizei kam und stellte Suchtrupps zusammen. Die ganze Gegend wurde durchgekämmt, aber es war so, als habe Jeremy auf den Stufen vor der Schule gesessen und sich einfach in Luft aufgelöst.“
Tränen liefen ihr übers Gesicht, und Cade suchte in seinen Taschen nach einem Taschentuch.
Patience schien gar nicht zu bemerken, dass sie weinte.
Cade wischte ihr die Wangen trocken und
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