Falsche Geliebte, richtiger Mann? / Eine Spur von Leidenschaft / Liebesnacht vorm Hochzeitstag
fest, dass Joseph hier getötet und anschließend unter der Eiche verscharrt worden war.
Sie bückte sich und nahm noch ein paar Bodenproben aus der Umgebung des Baums. Höchstwahrscheinlich waren diese nicht sonderlich aussagekräftig, doch Patience schloss niemals eine Möglichkeit aus. Hier ging es vorerst darum, Proben zu sammeln. Erst die anschließenden Analysen würden zeigen, ob es etwas gebracht hatte.
Sie richtete sich auf und betrachtete erneut die Einkerbung. Es sah tatsächlich aus, als sei ein Gewehr mit dem Kolben in die Rinde gerammt worden.
War der Schütze angestoßen worden? Hatte der Schuss sich deshalb gelöst?
Einen Moment biss sie sich nachdenklich auf die Lippe. Das würde den seltsamen Einschusswinkel erklären. Sie kratzte noch weiteres Material vom Rand der Einkerbung und steckte es in drei verschiedene Asservatentüten. Es war zwar sehr unwahrscheinlich, aber vielleicht ließen sich in dem Material noch Haar- oder Hautreste des Schützen finden.
Über eine Stunde später verstaute Patience den Ausrüstungskoffer und die Handschuhe im Kofferraum des Wagens. Ihr war heiß, sie war verschwitzt und freute sich schon auf die Dusche. Anschließend würde sie ihre Sachen packen und in ihr Labor zurückkehren. Es lag eine Menge Arbeit vor ihr.
Außerdem ging sie damit den Komplikationen einer ernsthafteren Beziehung aus dem Weg. Ich muss tun, was für mich am besten ist, dachte sie. Ein klarer Schlussstrich ist sicher das Einfachste.
Glatt gelogen. Du hängst an ihm. Es wird dir das Herz brechen.
Zugegeben, vielleicht würde sie zunächst etwas bedrückt sein, aber sie würde schon irgendwie über Cade hinwegkommen. Zumindest redete sie sich das ein, während sie den Kofferraum zuklappte.
In dem Moment hörte sie einen Truck, der sich näherte.
Sie dachte schon, es sei Cade, aber zwischen den Bäumen hindurch sah sie, dass es ein älterer Wagen war. Auch die Farbe passte nicht.
Wieso kam jemand zu dieser Uhrzeit hier heraus? Es war noch nicht einmal sechs Uhr früh.
Die Fahrertür wurde zugeschlagen, und Patience hielt sich hinter den Bäumen verborgen, die auch ihr Auto verdeckten. Als sie sah, dass Harold, der übellaunige Rancher, um den alten Truck herumkam, war Patience froh, sich versteckt zu haben. Mit diesem Kerl wollte sie sich nicht herumstreiten, wenn sie lediglich mit einem Stock bewaffnet war.
Ein paar Minuten lang starrte Harold reglos auf den Boden. Es war genau die Stelle, an der Josephs Überreste verscharrt worden waren. Dem alten Mann lief eine Träne über die Wange, und er beugte sich vor. Die Hände stützte er auf die Knie, als falle ihm das Atmen schwer.
„Verdammt, Joe. Verdammt.“ Harold richtete sich auf und trat einen Stein weg. „Hättest du mich in jener Nacht bloß nicht geschubst. Zwanzig Jahre schon finde ich keine Ruhe mehr, und das ist ganz allein deine Schuld. Woher hätte ich wissen sollen, dass das verdammte Ding geladen ist? Ich wollte dich doch nur zur Vernunft bringen. Ich wollte dir nichts antun. Du … du hast mein Leben ruiniert.“ Seine Stimme klang heiser und erstickt.
Patience hatte ihren Mörder!
Was immer auch passiert war, anscheinend war es nicht geplant gewesen. Harolds faltiges Gesicht war von Kummer verzerrt. Als er sich schniefend die Tränen aus den Augen wischte, hatte Patience fast Mitleid mit ihm.
Aber dies war der Mann, der Cade den Vater genommen und großes Leid über seine ganze Familie gebracht hatte.
Wieder trat Harold gegen einen Stein und wandte sich dann der aufgehenden Sonne zu.
Es raschelte an Patience’ Fuß, und als sie den Blick senkte, sah sie eine Mokassinschlange über ihren Stiefel gleiten. Sie traute sich nicht, sich zu rühren. Weder die Schlange noch Harold sollten sie bemerken. Bestimmt wäre Harold nicht froh, wenn er wüsste, dass er gerade beobachtet und belauscht worden war.
Flach atmend beobachtete sie die Schlange zu ihren Füßen.
Harolds Truck fuhr los, und als Patience den Blick wieder hob, sah sie auf der Ladefläche zwei alte Gewehre, die an einem Gestell festgeschnallt waren.
Jetzt hatte sie nicht nur den Mörder, sondern wahrscheinlich auch die Tatwaffe. Leider brauchte der Sheriff mehr als nur Patience’ Verdacht, um vom Richter die Bewilligung einzuholen, Harolds Waffe zu beschlagnahmen. Wenn sich hinten am Gewehrkolben Kratzer fanden, die zu denen am Baum passten, würde sie das schon weiterbringen.
Die Rancher, die Wasserrechte und Joseph. Hatte Cade nicht erzählt, die
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