Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Falsche Nähe

Falsche Nähe

Titel: Falsche Nähe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Kui
Vom Netzwerk:
aber notwendigen Abnabelung zu begreifen, und unternimmt mehr denn je mit ihrer Clique. Zwischen Miriam und Daniel bahnt sich jetzt doch etwas an, was sie aufrichtig freut. Allerdings fühlt sie sich an ihrer Seite wie ein fünftes Rad am Wagen, weshalb sie – obwohl er ihr untreu war und sie im Streit auseinandergegangen sind – während der Geburtstagsparty eines gemeinsamen Freundes wieder mit Jannis anbandelt.
    Sie machen die Nacht durch und schlendern im Morgengrauen Händchen haltend über den Fischmarkt, lassen sich vom konkurrierenden Geschrei der Marktbeschicker hierhin und dorthin locken, ohne die Absicht, etwas zu kaufen. Was sie tun, fühlt sich gleichzeitig richtig und falsch an. Zumindest bis sie an einem Bratwurststand Moritz entdeckt, flankiert von zwei sympathisch aussehenden Typen in seinem Alter. Er hat so eine Art, den Raum, der ihn umgibt, voll und ganz in Besitz zu nehmen, egal ob es sich um eine Würstchenbude oder das Arbeitszimmer anderer Leute handelt.
    Von da an könnte Noa sich nur noch ohrfeigen. Sie macht sich von Jannis los, eine Geste, die er sofort richtig auffassen wird, so viel ist sicher. Wahrscheinlich ist er sogar erleichtert, doch das kümmert sie nicht. Moritz kümmert sie. Und bei ihrem Pech derzeit muss sie leider davon ausgehen, dass Arnes Sohn sie ebenfalls gesehen hat.
    »Noa, da bist du ja. Hättest du denn nicht anrufen können? Wir haben uns Sorgen gemacht.« Arne empfängt sie in seinen grauen Bademantel gehüllt, die Arme ausgebreitet, als wollte er sie allen Ernstes an sich drücken. Als sie zurückweicht, steht er einige Sekunden mit zuckenden Mundwinkeln neben dem Kühlschrank, bevor er sich entschließt, Kaffee zu kochen.
    »Ich nehme auch einen », sagt Noa. »Ich mag ihn stark. Sehr stark.«
    »Okay, wird berücksichtigt. Anstrengende Nacht gehabt? Ob du nicht hättest anrufen können, habe ich gefragt.«
    »Ich hab’s gehört.«
    »Und?«
    »Hätte ich.«
    »Und warum hast du nicht?« Die Freundlichkeit in seiner Stimme steht im Widerspruch zu seinen Worten. Wenn er sie schon in die Mangel nimmt, warum muss er dann auch noch unentwegt lächeln? Dieses Lächeln geht ihr schrecklich auf den Geist.
    Das Ganze ist Schwachsinn. Sie ist fast achtzehn – und er nicht ihr Vater. Soll er doch Moritz auf den Wecker fallen. Bestimmt hat er keinen Schimmer, wo sein eigener Sprössling sich die ganze Nacht herumgetrieben hat, und es scheint ihn auch nicht weiter zu kümmern.
    »Mann, nerv mich nicht«, sagt sie und holt sich eine Flasche Mineralwasser aus der Vorratskammer.
    Anstatt es dabei bewenden zu lassen, fängt er wieder an, kaum dass sie am Küchentresen Platz genommen hat. Bringt sich barfuß neben ihr in Stellung, zu nah für ihren Geschmack, der Anblick seiner nackten Füße die reinste Provokation. Rote Härchen auf den Unterschenkeln. An der Wade eine hellrosa Narbe von gut fünfzehn Zentimetern Länge. Das muss wehgetan haben.
    Die Anklage lautet: Audrey hätte ihretwegen die halbe Nacht nicht geschlafen.
    »Dann hätte sie mich ja anrufen können.«
    »Sie wollte dich nicht belästigen.«
    »Wie rücksichtsvoll von ihr. Daran solltest du dir direkt ein Beispiel nehmen.«
    »Sie hat dir mindestens eine SMS geschickt, soviel ich weiß.«
    Noa trinkt die halbe Wasserflasche leer, prüft ihr Handy. Drei SMS von Audrey, eine von Jannis, keine zehn Minuten alt. Auch ein vergeblicher Anruf wurde registriert, um kurz nach vier Uhr früh. Noa hat das Klingeln überhört und das bereut sie aufrichtig. Sie kennt das Gefühl, zu warten. Das langsame Verstreichen der Stunden. Nachher wird sie sich bei Audrey entschuldigen, aber das geht Arne nichts an.
    »Der Kaffee ist durch«, sagt sie. »Gießt du mir einen mit ein? Bitte?«
    Als sie ihren Becher endlich in den Händen hält, heiß und dampfend, klebt am Rand ein kurzes, hellrotes Haar.
    Es wird nicht besser, sondern schlimmer. Arne, seiner Aufgabe, für Audrey den starken Mann zu markieren, eifrig bedacht, beginnt Noa zu kritisieren, wo er geht und steht. Der Tonfall verschärft sich. Ob es zu viel verlangt wäre, vor dem Eintreffen der Putzfrau wenigstens die eigenen Klamotten in den Schrank zu räumen? Warum ihre Handyrechnung so astronomisch hoch sei? Ob sie wisse, dass Kiffen auf Dauer nicht nur süchtig, sondern auch blöd mache? Als ob sie einen Joint nach dem anderen inhalieren würde. Wenn sie kifft, dann nur um runterzukommen. Was sie nicht müsste, wäre er nicht hier.
    Was Noa am meisten provoziert:

Weitere Kostenlose Bücher