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Falsche Nähe

Falsche Nähe

Titel: Falsche Nähe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Kui
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betrachtet als Waffe erweist: ein Schwert, wegen der besonderen Krümmung unverkennbar japanischer Herkunft, ein Katana wie aus Audreys Buch. Noa hält den Atem an. Am kunstvoll gearbeiteten Griff, umspannt mit silbrig schimmernder Fischhaut, entdeckt sie einen hässlichen, rostroten Fleck.
    Okay. Gut, dass du am Ball bleibst, Leser. Ich habe dich nicht abgeschrieben, ich springe von jetzt an ein, bereit, deine Lust an dieser Geschichte zu befriedigen. Denn ich weiß, du hast Blut geleckt. Bevor es weitergeht, müssen wir über Gott reden. Es war nicht meine Idee, dieses biblische Szenario mit ins Spiel zu bringen, aber inzwischen gefällt es mir. Ich kenne IHN nicht persönlich, nein, ich bin keiner von diesen durchgeknallten Idioten, die das von sich behaupten, aber ich habe die Bibel studiert. Ich kenne die Wahrheit.
    Sie lautet: Irgendwann ist Schluss. Das sagen alle, nicht nur die Christen. Gott schaut sich den Mist nicht mehr lange an. Die ganze Ungerechtigkeit, wie die Reichen immer reicher und die Armen ärmer werden. Wie alle nur auf ihren eigenen Vorteil bedacht sind. Wie rechtschaffene Leute ihre Existenzen verlieren, weil sie von den Banken aufs Kreuz gelegt worden sind. So geht es nicht weiter. Alles dreht sich nur noch ums Geld. Gier ist eine Todsünde, weißt du das nicht? Du hast auch gesündigt, gib es zu.
    Deswegen die Apokalypse, als Strafe für die Menschheit, verbunden mit der Hoffnung, dass das, was danach kommt, besser sein möge, reiner.
    Insofern finde ich es richtig, dass wir diese kleine Episode um Mord und Totschlag in den Dienst nicht nur unsrer Liebe, sondern einer größeren Sache stellen, sozusagen als Geschenk an Gott. Ergibt das Sinn? Ich denke schon. Auch deswegen habe ich den Anfang gemacht. Apokalypse Hamburger Art.
    Es war kein Kinderspiel, für den ersten Reiter einzuspringen. Ein Schwert zu führen, will ebenso gelernt sein wie das Töten an sich. Es hilft, sich ein paar Kleinigkeiten ins Bewusstsein zu rufen: Ein Menschenleben, egal, ob kurz oder lang, ist niemals mehr als ein kosmischer Wimpernschlag. Liebe, und sonst nichts auf der Welt, überwindet den Tod, weshalb eine Tat, die aus Liebe begangen wird, niemals falsch sein kann, ein wahrhaftiger Zweck heiligt jedes Mittel. Und: Wer einen Knochen durchtrennen will, braucht entweder eine gute Waffe oder eine Mordswut im Bauch.
    Ich verfüge über beides. Deswegen mache ich weiter. Versprochen.
    Leute in Hamburg, nehmt euch in Acht. Holt eure Kinder von der Straße. Ein Reiter ist der Stadt bereits erschienen.
    Drei weitere werden folgen.

Paranoid?
    D ienstag. Das Päckchen müsste heute im Briefkasten sein. Noa will um jeden Preis verhindern, dass Audrey oder Arne es zuerst entdecken, also hat sie es nach der achten Stunde ausnahmsweise eilig, nach Hause zu kommen. Hoffentlich, überlegt sie in einem Anflug von Nervosität, ist es nicht so großformatig, dass es persönlich übergeben werden muss. Sofern die Angaben im Internet stimmen, dürfte das eigentlich nicht passieren.
    Sie hat Glück. Der Briefkasten ist prall gefüllt, Rechnungen, ein dicker Umschlag für Audrey – die übliche Fanpost, weitergeleitet vom Verlag –, ein amtlich aussehendes Schreiben, an Arne gerichtet, sowie ihr Päckchen. Noa schließt die Klappe und stopft alles in ihren Rucksack, um nichts fallen zu lassen. Als sie aufblickt, entdeckt sie Tom, der gerade ein einzelnes, weißes Kuvert aus seinem eigenen Kasten fischt.
    »Magere Ausbeute«, sagt sie. Sie meint es lustig, eine Anspielung darauf, dass Audrey, insbesondere wenn sie eine Neuerscheinung am Start hat, mehr Post erhält als alle anderen Bewohner des Hauses zusammen.
    Zu Noas Erstaunen antwortet Tom geradezu pampig: »Ich kann auf diese Flut von Papier gern verzichten. Mal ehrlich: Wieso können die Leute ihren Kram nicht per E-Mail verschicken? Das schont die Umwelt.«
    Noa beeilt sich, ihm beizupflichten. So griesgrämig ist ihr der Nachbar nie zuvor über den Weg gelaufen.
    »Und sonst, alles klar?«, fragt sie, während sie zusammen auf den Fahrstuhl warten.
    »Muss ja.« Tom weicht ihrem Blick aus. »Und bei euch? Ich hörte, ihr habt einen neuen Mitbewohner. Der kann sich gern mal persönlich bei uns vorstellen.«
    »Darauf wäre ich an deiner Stelle nicht so scharf«, sagt Noa, bereut es jedoch sofort. Es braucht ja nicht jeder gleich zu wissen, was sie von Arne hält. Eine Frage der Loyalität. Zu ihrer Erleichterung geht Tom nicht weiter darauf ein. Die Liftfahrt bewältigen sie

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