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Falsche Nähe

Falsche Nähe

Titel: Falsche Nähe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Kui
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brachten. Dort ragt ein Sandriff tief ins Meer hinein, eine karge Wüste ohne jegliches Grün, durchzogen von Prielen. Sand wie Beton. Himmel wie gemalt. Die Kargheit der Natur warf sie auf sich selbst zurück. Das Gefühl, allen Gewalten standhalten zu können.
    Inmitten dieser Mondlandschaft haben sie sich wieder lange und intensiv geküsst und ihr Bündnis damit besiegelt. Dass sie jetzt zusammen gehören, brauchte keiner von ihnen laut auszusprechen.
    Auf dem Rückweg mussten sie gegen eine steife Brise ankämpfen, was ihnen beiden das Blut in die Wangen trieb. Sie brauchten drei Mal so lange. Völlig erschöpft bewunderten sie anschließend den Sonnenuntergang von der begehbaren Kuppel ihres Hotels aus. Als der Feuerball lodernd im Meer versank, war Noa glücklich.
    Den Namen ihrer Schwester auf dem Display zu lesen, macht dieses Gefühl nun zunichte. Dennoch geht sie ran. Macht der Gewohnheit, nichts weiter, sagt sie sich.
    »Hallo Audrey.«
    »Hey.«
    »Was willst du?«
    »Ich will nur wissen, wie es dir geht.«
    »Danke gut. Und selbst?«
    »Auch gut.«
    »Gut. Dann bis später.«
    Noa legt auf.
    Die Liebe zu Audrey brennt in ihrer Brust.
    Noa stellt sich die Aufgabe, nach dem Tag nun auch noch den Abend zu genießen, obschon sie weiß, dass es – die Stimme der Schwester noch im Ohr – schwierig werden dürfte. Wenigstens erweisen sich ihre Ängste, die Party könne in erster Linie ältere Semester anziehen, als unbegründet. Auch auf Sande ist Halloween ein Fest, mit dem vor allem Leute aus ihrer Generation etwas anfangen können, und das »Haus des Kurgastes« wirkt dank der gelungenen Dekoration längst nicht so spießig wie der Name anmutet.
    Es handelt sich um einen relativ schlichten Zweckbau auf dem Kamm einer hohen Düne; der größere von zwei Veranstaltungssälen wartet mit riesigen Panoramafenstern und Balkonen an beiden Längsseiten auf. Da die Insel so schmal ist, hat man zu beiden Seiten einen atemberaubenden Meerblick, der auch nachts seine Wirkung nicht verfehlt. Zur Wattseite hin sind die Lichter des Festlands zu sehen, der Mond glüht weiß und voll hinter nachtblauen Federwolken, sein Schein legt sich wie ein Tuch auf das spiegelglatte Wasser. Die Brandungsseite ist dunkler, nur das Leuchtturmfeuer nimmt es mit der Schwärze auf. Dazu das Aufblitzen der Gischt.
    Noa ist hingerissen. »Am liebsten würde ich den ganzen Abend nur auf dem Balkon stehen. Auf beiden, meine ich, immer abwechselnd.«
    Moritz hat andere Pläne: »Lass uns lieber tanzen. Das Lied mag ich.«
    Die Tanzfläche ist so überfüllt, dass es Mühe kostet, nicht voneinander getrennt zu werden. Zumal sie nicht die einzigen Fledermausmasken-Träger sind. Noa orientiert sich an Moritz’ kontaktlinsengelben Augen und später, als er sich zur Bar durchkämpft, um ihnen Getränke zu besorgen, an seiner Größe und seinem Gang. Schließlich kommt er mit zwei randvollen Bechern zurück, der Inhalt giftgrün und wenig vertrauenerweckend.
    »Hexenbowle«, verkündet er und reicht ihr einen davon.
    »Was ist da drin?«
    Moritz legt die Stirn in Falten. Er hat sie nicht verstanden. Die Musik ist überlaut, sie muss die Frage noch zwei Mal wiederholen, ihn anbrüllen, nur um dann eine unbefriedigende Antwort zu erhalten.
    »Hab ich nicht gefragt.«
    Unwillkürlich gibt ihm Noa dafür einen Minuspunkt. »Hoffentlich kein Wodka«, sagt sie. »Den kann ich nicht ab.«
    »Soll ich dir was anderes holen?«
    Sie schüttelt den Kopf. »Schon gut. Ich werde es überleben.«
    Es gilt der Vorsatz, sich zu amüsieren. Sie stoßen an. Viel zuckersüßer Sekt und auf jeden Fall irgendetwas Hartes, Wodka oder Tequila. Die Kohlensäure prickelt in ihrem Mund, der hochprozentige Alkohol darin setzt ihre Kehle in Brand. Sie muss vorsichtig sein. Nicht dass derartige Mixgetränke ihr schlecht schmecken würden, im Gegenteil. Aber anders als Wein macht Alkohol in dieser Form sie nicht müde oder melancholisch, sie wird eher hitzköpfig. Das beste Rezept dagegen: in Bewegung bleiben.
    Der DJ hilft ihr dabei, indem er eine schnelle, harte Nummer nach der anderen spielt und alle mitreißt. Noa, sonst keine geborene Tänzerin, hat an diesem Abend Wut im Bauch und Rhythmus im Blut, jeder Move scheint zu gelingen, jeder Hüftschwung im Zombiekleid eine Botschaft an Moritz und alle anderen Typen im Raum, deren Blicke sie zunehmend auf sich zieht: Ich kann Spaß haben, ohne an morgen zu denken. Und schon gar nicht an gestern.
    Noa tanzt mit Moritz und zwei

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