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Falsche Nähe

Falsche Nähe

Titel: Falsche Nähe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Kui
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altmodisch und pathetisch klingen oder, schlimmer noch, als hätte sie ihre Tage und wäre rein hormonell dazu verdammt, spätestens beim nächsten Merci-Werbespot in Tränen auszubrechen. Also hält sie den Mund und sticht Sterne, Monde und Tannenbäume aus, ohne richtig hinzusehen. Wie früher ist sie von den Motiven auf den blau-weißen Wandfliesen fasziniert: Segelschiffe und allerlei Meeresgetier, handbemalt vor mehr als hundert Jahren. Miriams Eltern haben die wertvollen Relikte aus der Jugendstil-Ära vor einigen Jahren zufällig bei Renovierungsarbeiten unter einer Holzverkleidung entdeckt und aufwendig restaurieren lassen, worüber ihre Kinder wenig begeistert waren, weil der Familie in dem Sommer das Geld für eine Urlaubsreise fehlte. Als eine Hitzewelle die Stadt für zwei Wochen lahmlegte, schlugen Miriam und Noa ein Zelt im Innenhof auf und campierten dort, worauf die Anwohner sich über das nächtliche Gekicher beschwerten.
    Die Stimme der Freundin befördert Noa zurück in die Gegenwart. »Und?«, fragt sie und zwickt ihr spielerisch in die Seite.
    Noa knufft zurück. »Was und?«
    »Wolltest du nicht ganz dringend irgendwas loswerden? Du warst also auf Sande und du hast jemanden kennengelernt. Schieß endlich los. Ich sterbe vor Neugier.«
    »Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll«, gesteht Noa.
    »Am Anfang. Ich will alles hören, also sieh zu, dass du nichts vergisst.«
    »Ich warne dich. Es ist eine absolut verrückte Geschichte.«
    »Solche mag ich am liebsten.«
    Die Plätzchen sind bereits erkaltet, und sie können mit der Glasur beginnen, als Noa geendet hat. Wie gewünscht hat sie ihrer Freundin in chronologischer Reihenfolge so ziemlich alles erzählt, was ihr seit dem Wochenendtrip nach Mallorca widerfahren ist. Die kurzen Momente des Glücks mit Moritz spielen da leider nur eine untergeordnete Rolle, die meisten Erfahrungen waren ziemlich schmerzhaft, was sich daran zeigt, wie schwer es ihr fällt, die bitteren Erfahrungen und den Schrecken der vergangenen Wochen nochmals zu durchleben. Anschließend ist sie ratloser denn je. Gibt es wirklich einen übergeordneten Zusammenhang? Wieso kann sie ihn dann nicht sehen?
    Miris erste Reaktion ist so profan und so typisch für sie, dass Noa allem Ernst der Lage zum Trotz lachen muss. Sie will ein Foto von Moritz sehen. Noa hat auf Sande in den Dünen einige schöne Aufnahmen mit ihrem Handy gemacht und zeigt sie der Freundin.
    »Wusste ich es doch: der Rothaarige. Den hab ich bei dir auf Facebook gesehen und mir gleich meinen Teil gedacht. Sieht gut aus, der Kerl. Sieht sogar sehr gut aus. In den hätte ich mich auch verschossen.«
    Noa seufzt. Schade, dass es nicht so einfach sein kann. Nach Jannis hätte sie sich eine Liebe gewünscht, die unkompliziert ist. Nachdem er sie betrogen und ihr Selbstwertgefühl damit gründlich demontiert hatte, wollte sie eigentlich kein Risiko mehr eingehen. Sie hätte sich denken können, dass das unmöglich ist.
    Der Guss ist zu flüssig. Miriam füllt Puderzucker nach, bis die gewünschte Konsistenz erreicht ist, bevor sie die klebrige Masse mit einem Pinsel aufträgt. Noas Aufgabe ist es, anschließend die bunten Streusel oder Schokosplitter darüberrieseln zu lassen. Dabei klopft ihr das Herz bis zum Hals. Sie wartet. Die Tüte mit den Streuseln knistert. Irgendwann muss Miriam zu den unerfreulichen Dingen, die Noa ihr anvertraut hat, Stellung beziehen. Al s es so weit ist – Miriam holt wie zur Warnung tief Luft –, fühlt Noa sich prompt überrumpelt.
    »Und du glaubst wirklich, der Schwertkiller stammt aus dem Umfeld deiner Schwester und hat versucht, dich auf Sande um die Ecke zu bringen, damit du ihm nicht bei deiner ganzen Herumschnüffelei auf die Spur kommst?«
    Aus dem Mund der Freundin klingt es bizarr. Als würden sie über einen schlechten Film reden, für den sie an der Kinokasse ihr Geld verschwendet haben und den sie nun von vorn bis hinten analysieren, um vielleicht doch noch ein gutes Haar an der Story zu finden.
    »Ich weiß nicht«, sagt sie, um sich dann zu verbessern: » Doch, ich glaube es.« Und nach einer weiteren Pause: »Ic h bin mir ganz sicher.«
    »Puh«, sagt Miriam. »Das ist so – unvorstellbar.«
    »Ich weiß.«
    Miriam senkt die Stimme zu einem Flüstern. »Aber Audrey selbst hast du nicht mehr im Verdacht?«
    Noa schüttelt den Kopf. Sie kann es nicht erklären: Nach allem, was sie inzwischen über ihre Schwester in Erfahrung gebracht hat, sprechen die Indizien mehr

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