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Falsche Nähe

Falsche Nähe

Titel: Falsche Nähe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Kui
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als zuvor gegen sie. Der Mord an den Eltern könnte sie so sehr traumatisiert haben, dass sie ihre Emotionen, insbesondere die negativen, einfach nicht mehr in den Griff bekommt. Sie hat es ja selbst beschrieben: du hast was abgekriegt, einen Sprung in der Schüssel … Noa hat die Worte aus dem Manuskript nicht vergessen. Was, wenn es ihr nicht mehr gereicht hätte, nur über Gewalt zu schreiben? Das Buch, das den Mord an den Eltern thematisiert, sollte eine Art Ventil sein. Anstatt es schreiben zu können, musste sie mit ansehen, wie Noa alles ans Licht zerrte. Wenn daraufhin der Damm endgültig gebrochen wäre?
    Nein. Wieder schüttelt Noa den Kopf, mehr für sich, als an Miriam gewandt. Audrey lügt und betrügt, sie verliert leicht die Beherrschung und ihr Privatleben ist eine Ruinenlandschaft – aber eine Mörderin ist sie ganz sicher nicht. Das spürt Noa einfach. Als Schwester. Sie versteht selbst nicht, wie sie je daran zweifeln konnte.
    Da in der Küche nichts mehr für sie zu tun ist – der Zuckerguss braucht jetzt eine gute halbe Stunde, um hart zu werden, bevor sie die Plätzchen genießen können –, ziehen sie sich in Miriams Zimmer zurück, um ungestört reden zu können. Es ist ziemlich klein. Damit die wenigen Quadratmeter optimal genutzt werden, hat Miriams Vater ein geräumiges Hochbett gezimmert. Ein idealer Rückzugsort. Sie klettern die Leiter hoch und nehmen nebeneinander Platz, Rücken gegen die Wand gelehnt, Knie angezogen. Eigentlich ist es gemütlich, aber eine innere Unruhe hat von Noa Besitz ergriffen und lässt sie nicht mehr los. Ihr wird abwechselnd heiß u nd kalt. Ihre Finger trommeln einen schnellen Rhythmu s auf die Bettdecke.
    »Lass uns systematisch an die Sache rangehen«, schlägt Miriam vor. »Wer weiß alles von diesem Manuskript?«
    Noa räuspert sich. »Frank, ihr Agent. Ihr Lektor Tobias. Arne natürlich. Moritz eher nicht. Ich. Und jetzt du.«
    »Okay. Sammeln wir also Beweise, die für oder gegen einen aus diesem Personenkreis sprechen. Abgesehen von uns beiden natürlich. Wir sind über jeden Zweifel erhaben.«
    »Moritz auch«, wirft Noa ein.
    »Nein, Noa, Moritz nicht. Du weißt viel zu wenig über ihn, um die Hand für ihn ins Feuer zu legen. Und hör auf zu trommeln, bitte. Das nervt.«
    Noa reißt sich zusammen. Wie Hobby-Detektivinnen nehmen sie einen nach dem anderen ins Visier. Miriam macht sich auf einem Block Notizen, während Noa ihre Überlegungen zur Diskussion stellt.
    Frank und Tobias waren beide gegen das Manuskript – mit einer Vehemenz, die Noa überrascht hat. Frank hat zudem ein Problem mit Arne, möglicherweise war er sogar selbst heimlich in Audrey verliebt und ist nun stinksauer, weil ihm ein anderer zuvorgekommen ist.
    Frank: enttäuschter Möchtegern-Liebhaber? – schreibt Miriam. Noa beobachtet die Ernsthaftigkeit, mit der die Freundin den Stift über das Papier gleiten lässt. Als säße sie vor einer kniffeligen Klassenarbeit, runzelt sie hin und wieder die Stirn und drückt besonders fest auf, die Handschrift akkurat wie in der Grundschule. Sie scheint sogar ein wenig Spaß an der Sache zu finden, was natürlich unangemessen ist, aber Noa kann sich glücklich schätzen, dass überhaupt jemand Bereitschaft zeigt, sich mit der ganzen Geschichte zu befassen, anstatt sie aus dem Stand für verrückt zu erklären. Vieles an Noas Gedankengängen ist abwegig und inkonsequent. Sie selbst hat den Drang, davor wegzulaufen, aber inzwischen weiß sie, dass das nicht geht.
    Also weiter. Arne: So zwielichtig der Typ ihr lange erschienen ist, mittlerweile hält Noa ihn für harmlos, was damit zusammenhängt, dass er versucht hat, Audrey zur Offenheit in Bezug auf die Vergangenheit zu überreden. Damit ist er ihrer Ansicht nach so gut wie aus dem Schneider.
    Gegen ihren Willen richtet sich Noas Aufmerksamkeit mehr und mehr auf Moritz. Er sei ein durchgeknallter Typ, hatte Audrey behauptet, was Noa nicht wirklich zu widerlegen vermochte. Es ist sein Schwert, an dem sie das Blut gefunden hat. Indem er Audrey beklaut, sich einfach so ihr Auto geschnappt und Noa ohne jeden Skrupel hinters Licht geführt hat, machte er deutlich, was Regeln und Konventionen für ihn bedeuten: nichts und wieder nichts.
    Noa ist niedergeschlagen, doch schließlich liefert Miriam ein wichtiges Argument zu seinen Gunsten: »Die Taten werden doch von einem Motorradfahrer ausgeübt. Wer von unserer Liste besitzt überhaupt einen Motorradführerschein?«
    »Moritz auf keinen

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