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Falsche Nähe

Falsche Nähe

Titel: Falsche Nähe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Kui
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es nicht fassen. Jetzt auch noch diese beiden?
    Vergeblich versucht Noa, ihr neues Kissen so flach zu klopfen, wie sie es von ihrem alten gewohnt ist, als ihr das nicht gelingt, legt sie es ganz beiseite, bettet den Kopf auf ihren Arm, was auch nicht wirklich bequem ist. Sie wirft sich von einer Seite auf die andere, tastet nach Pancake, der die Nächte gern an ihrem Fußende verbringt. Der Siamkater liegt nicht an seinem Platz, obwohl heftiger Regen gegen die Scheiben prasselt, Tropfen hart wie Murmeln, dazu Wind. Eigentlich kein Wetter zum Herumstromern. Wie alle Katzen wird Pancake nicht gern nass.
    Außerhalb des Zimmers immer noch Geschrei, lauter und näher als zuvor. Arne und Audrey haben ihre Auseinandersetzung in den Flur verlegt. Noa hat Mühe, nicht hinzuhören. Sie will nicht wieder hinter verschlossenen Türen lauschen, keine neugierigen Fragen mehr stellen. Der Grund: Sie ist im Begriff, sich selbst dabei zu verlieren.
    Seufzend setzt Noa ihre Kopfhörer auf und hört Musik, bis sie in einen wenig erholsamen Schlaf hineingesogen wird – die Gedanken rotieren weiter, verlieren jeglichen Bezug zur Logik –, sodass sie bereits um fünf Uhr früh w ieder aufwacht, weil sie pinkeln muss. Draußen herrsch t noch Nacht, aber im Hafen wird immer gearbeitet, das Himmelsschwarz kupferfarben eingefärbt von den Flutlichtern der Docks und Verladekais, die auch Noas Zimmer erhellen. Wie so oft hat sie nicht daran gedacht, die Vorhänge zuzuziehen. Ihre Möbel im Halbschatten: Schreibtisch, Schrank, Bücherregal. Das Wissen, das sich jemand daran zu schaffen gemacht hat. Weder Arne noch Moritz, sondern jemand Fremdes, durch und durch Bösartiges – das spürt sie auf einmal mit beklemmender Deutlichkeit. Als hätte der Atem des Eindringlings giftige Rückstände hinterlassen wie radioaktiver Fallout.
    Benommen von der Heftigkeit ihrer Vision schlurft sie zur Toilette, überzeugt bei ihrer Rückkehr den Kater vorzufinden, der die Gelegenheit genutzt hat, ins Zimmer zu schlüpfen. Doch ihr Bett ist leer.
    »Komisch.«
    Noa geht ins Wohnzimmer, prüft, ob Pancake vor der Balkontür auf Einlass wartet. Auch dort ist er nicht.
    »Suchst du die Katze?«
    Noa fährt herum.
    Audrey sitzt am Tresen, eine dampfende Tasse in den Händen. Pfefferminztee, wie Noa am Geruch erkennt. Auch die Schwester hat keine Lampe eingeschaltet, kauert im Hafenlichter-Schummer, Blick nach draußen.
    »Er ist nicht nach Hause gekommen«, sagt sie. »Sein Essen hat er auch nicht angerührt.«
    »Komisch«, wiederholt Noa und überprüft den Napf. Audrey hat recht.
    »Der wird sich schon wieder anfinden«, sagt sie.
    Noa macht aus ihrer Beunruhigung keinen Hehl. »Na, hoffentlich. Hier ist immer so viel Verkehr. Vielleicht sollten wir ihm so ein reflektierendes Halsband besorgen, jetzt, wo es so früh dunkel wird.«
    »Gute Idee.«
    Einen Augenblick bleibt Noa still neben der Schwester stehen. Als sie sich zum Gehen wendet, sagt Audrey mit schlecht gespielter Beiläufigkeit: »Ach, übrigens – Arne ist ausgezogen. Ich denke, das ist ganz in deinem Sinne.«
    Noa verschlägt es die Sprache.
    Das Deckenlicht wird eingeschaltet, dann hat Audrey wie bei einem Zaubertrick plötzlich ein Stück Stoff in der Hand und wedelt damit vor Noas Nase herum. Ein Slip. Fliederfarben. Das Muster sieht sie nicht zum ersten Mal.
    »Deiner?«, fragt Audrey.
    Atemlos nickt Noa.
    »Wusste ich es doch!«
    »Sag nicht, Arne hatte ihn.«
    Die Schwester nickt. »Die Sache ließ mir keine Ruhe, also habe ich heimlich seinen Kram durchsucht. War ziemlich leicht zu finden.«
    »Wo?«
    »In der Mappe mit seinen Bauzeichnungen. Du hast dein Höschen nicht zufällig dort platziert, um mich gegen ihn aufzuhetzen?«
    Noa hört die Verzweiflung in Audreys Stimme, schwört sich, diesmal nicht die Nerven zu verlieren und die Schwester anzuschreien. »Traust du mir das zu?«, fragt sie ruhig, und zu ihrer unendlichen Erleichterung verneint Audrey. »Obwohl ich weiß, dass du ihn nicht ausstehen kannst.«
    »Traust du ihm denn so etwas zu?«
    Schulterzucken.
    »Mal im Ernst, Audrey, wieso sollte er so hirnrissig sein, das Teil in seiner Zeichenmappe zu verstecken?«
    Wieder zuckt Audrey mit den Schultern. »Wie soll es sonst dorthin gekommen sein?« Nach einer kurzen Pause fügt sie zögerlich hinzu. »Moritz?«
    »Im Leben nicht«, sagt Noa. »Warum auch – damit sein Vater in Schwierigkeiten gerät?«
    »Keine Ahnung. Einfach so. Weil er ein ziemlich durchgeknallter Typ ist,

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