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Falsche Opfer: Kriminalroman

Falsche Opfer: Kriminalroman

Titel: Falsche Opfer: Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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waschechten Künstlers störte, waren zwei ein wenig blutige Wattebäusche in den Ohren.
    Leonardo da Vinci, dachte Söderstedt.
    Peter Dahl, dachte Norlander.
    Irgendwo dazwischen lag vielleicht die Wahrheit.
    Wie viele hatte dieser Mann ermordet?
    Waren es fünf? Oder sechs?
    »Hej«, sagte Göran Andersson. »Wo habt ihr Hjelm gelassen?«
    Es dauerte eine Weile, bis bei ihnen der Groschen fiel. »Wir arbeiten nicht mehr zusammen«, sagte Söderstedt.
    »Was?« sagte Göran Andersson.
    Söderstedt kicherte. »Die gehörgeschädigten Zellennachbarn haben nichts anderes zu sagen als: Was?«
    »Hörst du überhaupt etwas?« rief er.
    Andersson kicherte auch. »Ihr müsst nur laut sprechen. Sie sagen, dass geplatzte Trommelfelle heilen, aber einerseits dauert es lange, anderseits bleiben wahrscheinlich Narben zurück, die für alle Zukunft das Klangbild verzerren.«
    »Was macht die Familie?« sagte Söderstedt laut.
    »Danke«, sagte Andersson ebenso laut, als habe er Kopfhörer auf. »Jojje ist jetzt fast zwei Jahre. Wir sind uns ja nur hier begegnet. Der Vater im Kumlabunker.«
    »Heißt dein Sohne Jojje?«
    »Eigentlich heißt er Jorge. Vermutlich der blondeste Jorge auf dem Erdball.«
    Söderstedt und Norlander wechselten verblüffte Blicke. »Jorge?« sagten sie im Chor.
    »Nach dem Mann, der mir das Leben gerettet hat, ja. Jorge Chavez. Und Paul. Nach Paul Hjelm. Paul Jorge Andersson. Die beiden Polizisten, die mich aus der Unterwelt herausgehoben haben. Jetzt darf Jojje weitermachen. Und Lena, natürlich. Sie wartet auf mich. Sie trägt mich die ganze Zeit auf ihren zarten Armen.«
    »Ei der Daus«, sagte Söderstedt. »Wirfst du noch Pfeile?«
    »Nie mehr«, sagte Göran Andersson ruhig.
    »Erzähl jetzt«, unterbrach Viggo Norlander.
    Andersson wandte Norlander ruhig seinen klaren Blick zu. »Bist du nicht der, den sie gekreuzigt haben?« sagte er.
    Norlander sah instinktiv auf die runden Narben an seinen Händen. Stigmata. »Erzähl einfach.«
    »Gibt gar nicht viel zu erzählen«, sagte Göran Andersson. »Frühstück, zurück zu den Studien, Poff. Es ist ein extrem unangenehmes Gefühl, wenn einem das Blut aus den Ohren quillt. Beinah mystisch.«
    »Du hast die Zelle neben Lordan Vukotic, nicht wahr?«
    »Hatte. Ich glaube, sie haben den Sektor zugemacht. Ich weiß noch nicht, wo ich heute nacht schlafe.«
    »Was studierst du?« fragte Söderstedt.
    Der Blick kehrte zu dem hellhäutigen Finnlandschweden zurück. »Ich studiere Kunst. Wenn ich die Kunstgeschichte gelernt habe, will ich selbst anfangen zu malen. Theorie und Praxis sollen eins werden.«
    »Du sonderst dich ein bisschen ab, Vukotic hat sich auch etwas abgesondert«, sagte Norlander. »Das verbindet vielleicht irgendwie. Hast du ihn heute morgen gesehen?«
    »Nein«, sagte Andersson. »Wir sehen uns normalerweise beim Frühstück. Aber heute nicht.«
    »Er wurde gestern Nachmittag um halb fünf beim Essen gesehen. Bis zum Appell drei Stunden später scheint niemand ihn gesehen zu haben. Hast du ihn gesehen?«
    »Du musst dir klarmachen, dass ich in meiner Zelle sitze. Das ist alles, was ich tue. Ich esse im Speisesaal, ich werde ein paar Minuten auf den Hof gelassen, ich studiere in meiner Zelle. Sonst nichts.«
    Söderstedt blickte sich um. War er der einzige, der etwas leicht Schwebendes in Göran Anderssons Antwort wahrnahm?
    »Du hast nicht auf die Frage geantwortet«, sagte er nur.
    Andersson saß da und schwieg. Reglos. Wie er einst dagesessen und auf seine Opfer gewartet hatte. Aber doch nicht ganz. Er zuckte die Schultern. »Wenn ich ein anderer wäre als der, der ich bin, der ich geworden bin, dann wäre dies eine Verhandlungsposition. Dann, meine Freunde, hätte ich gefragt, ob es nicht allmählich Zeit wäre für den einen oder anderen Freigang, oder zumindest für etwas längere Besuchszeiten.«
    Es war still in dem kargen kleinen Raum. Vier Polizistenblicke auf einen dem Anschein nach transformierten Mörderblick gerichtet.
    »Aber ich bin nun mal so, wie ich bin«, sagte er. »Kurz vor dem Appell hörte ich ein leichtes Jammern draußen im Gang. Nur kurz, als sei es zwischen den Zähnen herausgerutscht. Ich schaute nach draußen und sah, wie Lordan Vukotic sich in seine Zelle schleppte.«
    »Wie, schleppte?« sagte Norlander.
    »Er warf einen sehr schnellen Blick in meine Zelle. Das Gesicht sah aus wie immer, aber es war offensichtlich, dass er schwer verletzt war. Die Beine gaben unter ihm nach. Der Blick, dem ich begegnete, war

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