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Falsche Opfer: Kriminalroman

Falsche Opfer: Kriminalroman

Titel: Falsche Opfer: Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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Stirn; ein Lockenwickler blieb am Kragen des Lumberjacks hängen.
    Waldemar Mörner nahm ihn ihm ab. »Das macht keinen guten Eindruck«, sagte er.
    »Wir haben für Ende September eine Griechenlandreise gebucht«, sagte Hultin und betrachtete nicht ohne Verwunderung den Lockenwickler in Mörners Hand.
    »Das wird kein Problem«, sagte Mörner, warf den Lockenwickler wie ein Champagnerglas über die Schulter, öffnete die Tür des Saab mit einer gentilen Geste und fügte hinzu: »Bis dahin ist dieses kleine Debakel aus der Welt.«
    Als Kriminalkommissar Jan-Olov Hultin in den Wagen stieg, folgte ihm eine selbstleuchtende Aura.
    Eine Polizistenaura.

14

    E rst war es Französisch, ein langes, kompliziertes Gespräch auf französisch. Viel Lächeln, viele kurze Lacher ins Mobiltelefon. Der Mann, der unbeweglich an der geschlossenen Tür stand und quer durch den großen Arbeitsraum blickte, hatte sogar den Eindruck, dass die Gesten französisch geworden waren. Er, der selbst höchstens zwei Sprachen sprach, hatte gelernt, die Sprachen an den Veränderungen der Körperhaltung seines Chefs zu unterscheiden. Lange bevor ein neues Gespräch in Gang kam, hatte die Gestik es ihm schon verraten. Jetzt hatten die Bewegungen ein anderes Tempo bekommen, sie waren langsamer, aber distinkter, vielleicht ein wenig kantig. Es wurde augenscheinlich ein deutsches Gespräch geführt. Nach einigen kargen, tiefernsten Phrasen nahm das Gespräch eine neue Wendung, was er daran erkannte, dass sich die Brust weitete, der Rücken gestreckt wurde und die Kiefer angespannt wurden. Weil ihm klar war, dass gerade spanisch gesprochen wurde, konnte der Mann seinen Blick durch den großen Arbeitsraum schweifen lassen. Die spanischen Gespräche zogen sich immer lange hin.
    Alle in der Branche kannten diesen Raum. Hier wurden die großen Beschlüsse gefasst, hier wurden die großen Transaktionen getätigt. Das Panoramafenster zur Meeresbucht hinaus, der computergesteuerte Globus auf seinem Gestell neben dem L-förmigen Eichenschreibtisch, die Wände mit den Miros oberhalb der brusthohen Holztäfelung, die dicken persischen Teppiche auf dem glänzenden mosaikartigen Parkett.
    Alles war wohlbekannt, legendär.
    Der Mann an der Tür wusste, dass er sich nicht in diesem mythenumwobenen Raum befände, ja, nicht einmal Zutritt zum Haus bekommen hätte, wenn nicht die Umstände extrem wären. Der Personalmangel begann akut zu werden.
    Sie kannten sich seit dreißig Jahren, kamen aus demselben kleinen Bergdorf und waren in ihrer Kindheit Freunde gewesen. Dennoch hatte er nie das Vertrauen des ›Großen‹ gefunden, außer als Freund, als ein Verbindungsglied mit der Vergangenheit. Dennoch akzeptierte er ohne Umstände seine Rolle als Reservist, als Substitut, als Surrogat. Auch das war eine Ehre.
    Er nannte ihn ›der Große‹. Es ergab sich sozusagen von selbst. Doch er sagte es nie laut. Laut hörte es sich pathetisch an, peinlich. Doch in seinem Innern hieß der Chef nie anders als der Große. Da war es alles andere als pathetisch.
    Als die Sprache von neuem wechselte, stellte er fest, dass es vor allem die Vielsprachigkeit war, die er an seinem Arbeitgeber bewunderte – darin war er ›der Große‹. Die Vielsprachigkeit war eine Voraussetzung für die weitverzweigte internationale Wirksamkeit.
    Anderseits gab es Teile dieser Wirksamkeit, mit denen er sich ganz einfach nicht einverstanden erklären konnte. Dass der Große seine Einstellung zu diesen Teilen kannte, war vermutlich der Hauptgrund dafür, dass er nie zum innersten Kreis gehört hatte. Bis jetzt. Wo es keine andere Wahl gab. Wo es außerdem gerade diese Teile der Wirksamkeit waren, die das Problem verursacht hatten.
    Die Sprache, in der er jetzt ins Handy redete, war ihm einigermaßen geläufig. Und die Gestik war auf eine protzige Weise selbstverständlich. Als sei es die Muttersprache.
    Es war Schwedisch.
    Er verstand, dass die ›Sicherheitsberater‹ am anderen Ende waren.
    »Ja«, sagte der Große hinter dem Schreibtisch, drehte sich mit dem Ledersessel und schaute durchs Panoramafenster. »Ich verstehe. Und ihr habt keine Ahnung, wer er ist? Nein. Okay. Das macht ja die Situation instabil, gelinde gesagt. Ja, das Material kann sehr wohl unterwegs sein. Und dann ist die Katastrophe ein Faktum. Wir müssen uns also trotz allem auf seine Gier verlassen. Das ist das Verlässlichste, was wir haben. Wir müssen darauf vertrauen, dass er wartet, bis wir selbst die Lage normalisiert haben.

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