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Falsche Opfer: Kriminalroman

Falsche Opfer: Kriminalroman

Titel: Falsche Opfer: Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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Mörners Apparat. Ja, er taucht gleich wieder auf.«
    Nein.
    Nein, so war es nicht.
    So spielte es sich nur in Jan-Olov Hultins rachsüchtiger Phantasie ab. Aber Mörner glitt tatsächlich aus, als er den Schritt hinüber aufs Gras ausführte. Er griff nach Hultins kräftiger Schulter und konnte sich aufrecht halten.
    »Hoppla«, sagte er neckisch und klopfte Hultin leicht auf die Schulter. »Gut, dass es noch Stützpfeiler bei der Polizei gibt.«
    »Eben das tut es nicht«, sagte Hultin neutral.
    Er hoffte, dass man ihm nicht ansah, wie sein Herz pochte. Gleichzeitig wusste er, dass er sich deswegen nicht zu beunruhigen brauchte. Niemand hatte je in Kriminalkommissar Jan-Olov Hultins Seele geblickt. Sie war hinter einer Mauer aus Neutralität so gut verborgen, dass er sich manchmal fragte, ob sie vielleicht dahinter verschwunden war.
    War sie nicht.
    »Doch«, sagte Waldemar Mörner.
    The magic word.
    »Doch«, fuhr er fort, ohne mit dem Keuchen aufzuhören-»Das tut es. Wenn du willst. Wir brauchen dich. Ich habe den
    RP überredet, dass wir wieder anfangen. Wir haben einen richtig scheußlichen Massenmord am Hals.«
    RP, dachte Hultin. Wer zum Teufel sagte RP, wenn er den Reichspolizeichef meinte? Es klang wie ein alter Krimi aus den Siebzigern. Statt dessen sagte er mit Betonung auf jeder Silbe: »Wieder anfangen?«
    »Wiederaufguss«, verdeutlichte Mörner. »Das Netz einholen. Die Asse aus dem Ärmel schütteln. Die Spikesreifen aufziehen. Das Potential reaktivieren. Die Geheimwaffen entsichern.«
    Hultin ließ den Metaphernschwarm an sich abprallen. Er erwiderte nüchtern: »Die A-Gruppe?«
    »Ja, aber hallo«, sagte Mörner und sang: »Born to be wild.«
    Es war ein bisschen viel. Hultin starrte ihn entgeistert an.
    »In welcher Form?« bekam er heraus. Vollkommen neutral.
    »In guter Form«, sagte Mörner und boxte ihn freundschaftlich gegen den Oberarm; Hultin gelang es gegen jegliche Wahrscheinlichkeit, das zu ignorieren. »In alter guter Form.«
    »In der ursprünglichen Form also?«
    »Jepp. Wer würde es wagen, die Kreise eines alten Mannes zu stören?«
    »Alle sind dabei?«
    »Sogar Chavez hat locker akzeptiert, die Leitung der Ermittlung abzutreten. Allerdings nur an dich. Norlander verlangt, Mittsommerabend mit seiner neugeborenen Tochter verbringen zu können. Und ein kleines Fragezeichen, was Gunnar Nyberg betrifft. Er ist ja gut in Fahrt da bei den Pädophilen. Aber auch er kommt um zehn Uhr zur Sitzung.«
    Neugeborene Tochter? Dachte Jan-Olov Hultin. Das Wortpaar schien ihm so gar nicht mit dem Wortpaar Viggo Norlander zusammenzupassen. Aber er sagte nichts. Statt dessen sah er auf die Uhr. Zehn nach neun. Nicht viel Zeit für einen Entschluss, der sein Leben verändern würde. »Ich muss mit meiner Frau reden«, sagte er.
    »Tu das«, sagte Mörner. »Aber nicht zu lange.«
    »Kann ich mir auch mal dein Handy leihen?« fragte Hultin, nahm es entgegen und glitt den Grashang zur Veranda hinunter.
    Er ging zu seiner Frau, die ausdruckslos zuhörte – es war offenbar ein Familienleiden –, um schließlich kurz zu nicken und ein paar Worte hinzuzufügen. Er begab sich ins Haus, um das Hawaiihemd und die viel zu kleinen Shorts gegen etwas Respektableres auszutauschen, was bedeutete: einen sackartigen Lumberjack, ein etwas ausgefranstes lilafarbenes Hemd und ein Paar uralte dunkelblaue Gabardinehosen -tatsächlich waren es seine alten Uniformhosen. Währenddessen rief er Erik Bruun an, der geduldig, doch keineswegs neutral zuhörte. Das war nicht sein Stil. Als er schließlich antwortete, glaubte Hultin, den rotgrauen Bart um die ewige schwarze Zigarre auf und ab hüpfen zu sehen, die kein Herzinfarkt der Welt ihm aus der Schnauze würde reißen können.
    »Aber verflucht noch mal, Jan-Olov. Davon hast du doch insgeheim zehn Monate lang geträumt.«
    »Wirklich?« fragte Hultin aufrichtig.
    »Aber ja doch. Wie die Katze um den heißen Brei.«
    »Forgive and forget also?«
    »Weder forgive noch forget. Ignore. Scheiß auf sie. Es geht nicht um sie. Es geht um dich. Du hast noch viel zu geben. Und außerdem kannst du wieder kicken bei den Veteranen. Stell dir vor, wie viele gealterte Angreifer danach lechzen, es wieder mit einem gestandenen Stopper á la Holzbein-Hultin zu tun zu bekommen. Du kannst beim Köpfen wieder Augenbrauen platzen lassen. Du wirst dich wie neugeboren fühlen.«
    Hultin lief das Wasser im Mund zusammen. Er bedankte sich und legte auf.
    Er gab seiner Frau einen Kuss auf die

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