Falsche Opfer: Kriminalroman
haben, der neben ›Berras bat och bygg‹ stand. Und«, fügte er hinzu und gab Chavez einen verstohlenen Seitenblick, »dass die Mercedesbesatzung auffallend ausländisches Aussehen hat.«
»Und was ist mit den Räubern?« fragte Chavez unberührt. »Habt ihr gewagt, unter die Masken zu gucken?«
Äkesson verzog das Gesicht zu einer kleinen Grimasse. »Das war nicht so lustig«, sagte er. »Aber ja, die wirken etwas schwedischer ...«
Chavez betrachtete ihn. Es sah aus, als wäre er noch nicht fertig. »Und ...?« fragte er.
»Ich bin nicht ganz zufrieden mit den nachlässigen Fußspuren im Blut‹«, sagte Äkesson schließlich. »Sie scheinen nicht zu denen zu gehören, die leichtfertig Spuren im Blut hinterlassen.«
Chavez nickte eine ganze Weile. Das schwache Glied in der Kette seiner Erzählung. Unmittelbar bloßgelegt. Er versuchte sich zu überzeugen: »Man muss vielleicht berücksichtigen, dass sie geschockt waren. Schlachtplatz. Fünf Leichen. Einer verwundet. Drei von ihnen Kumpels.«
Er blickte über das grausige Szenario. Die Dame mit dem Hund und dem Handy hatte gesagt, sie riefe von einem Schlachtplatz an. Das stimmte. Aber etwas anderes stimmte nicht. Hier und da ging ein vereinzelter Polizist herum und schaute. Ansonsten war niemand da. »Wo zum Teufel ist die Spurensicherung?« platzte er heraus.
»Die sind auf dem Weg von Närke«, sagte Äkesson mit einem Schulterzucken.
»Von wo?«
»Von Närke. Das ist eine Landschaft.«
»Danke«, sagte Chavez.
»Sie haben bestimmt alle Hände voll zu tun gehabt mit der Explosion in Kumla. Die ganze Gang war da. Und deine Kumpels.«
»Meine Kumpels?«
»Söderstedt und Norlander. Wir waren eine Zeitlang Kollegen beim Länskrim.«
Chavez konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. Er stand auf einem Schlachtplatz und lächelte. »Die weißen Männer mittleren Alters«, sagte er.
Aber er dachte etwas anderes.
Hmm, ging es ihm durch den Kopf.
Die Explosion von Kumla.
13
W ir sehen ein Haus, das nur sehr wenige Polizisten gesehen haben. Es liegt ein wenig abseits an einem See mit dem ungewöhnlichen Namen Rivalen. Dieser See liegt in der Gemeinde Sollentuna, fünfzehn Kilometer nördlich von Stockholm.
Fakt ist, dass nur ein einziger Polizist jemals dieses einfache Haus am Rand des schattigen Mischwalds gesehen hat. Und der ist nicht mehr Polizist.
Er ist der Besitzer des Hauses. Jetzt kann er das wirklich im Ernst behaupten. Die letzte Rate wurde am selben Tag bei der Bank eingezahlt, an dem er in Pension ging. Es war ein Ereignis sondergleichen.
Und sehen wir ihn nicht gerade dort drüben? Ist das nicht dieser Zweiundsechzigjährige, den wir dort auf dem hügeligen kleinen Grundstück sehen, das nicht mehr ist als ein unbedeutender Einschub zwischen See und Wald? Ist er das nicht, der da im Hawaiihemd und in zu kleinen Shorts den Handrasenmäher den Hang hinaufrollt und wieder hinunter wie ein Sisyphus?
Rasenmähen ist eine endlose Arbeit.
Gras hat ja die Tendenz, nachzuwachsen.
Dafür, dass er Polizist war, hatte dieser Mann einen Defekt. Ehemaliger Polizist also. Nicht Polizist, ehemaliger Polizist. Dieser Defekt bestand darin, dass er Kraut und Unkraut nicht voneinander unterscheiden konnte. Natürlich konnte er lernen, dass dieses kleine grüne Büschel hier Kraut ist, während jenes kleine grüne Büschel dort Unkraut ist, aber den tieferen Sinn der Unterscheidung von Kraut und Unkraut hatte er nie verstanden.
Polizisten sollten definitiv Kraut von Unkraut unterscheiden können.
Nicht indem sie im Handbuch nachschlagen, das einem sagt, welches Grün Kraut und welches Unkraut ist, sondern indem sie instinktiv sagen können, was Kraut gegenüber Unkraut auszeichnet.
Das fehlte ihm.
Er hielt in seiner Sisyphusarbeit inne und beugte sich zu einem kleinen Büschel hinab. Er seufzte tief und strich mit der Hand über die grünen Halme.
Kraut oder Unkraut?
Er richtete sich wieder auf und machte mit dem Rasenmäher einen Bogen um das Büschel. Seit seiner Pensionierung praktizierte er regelmäßig die Maxime live and let live. Wer war er, um zu entscheiden, was Kraut und was Unkraut war?
Kein Kollege hatte ihn je zu Hause besucht. Er war allgemein als ›der Mann ohne Privatleben‹ bekannt gewesen und hatte nie jemanden an sich herangelassen. Nach der Pensionierung hatte er seine Prinzipien ein wenig gelockert und verkehrte tatsächlich – wenngleich nie zu Hause – mit einem alten Kollegen, seinem früheren Chef Erik Bruun von
Weitere Kostenlose Bücher