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Falsche Väter - Kriminalroman

Falsche Väter - Kriminalroman

Titel: Falsche Väter - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann-Josef Schüren
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Komisch, dachte er.
Wenn man Zeit hat, vergeht sie nicht. Wenn man keine Zeit hat, rennt sie einem
davon.
    Er meinte eine Bewegung an einer Gardine zu sehen. Wahrscheinlich
wartete der Empfänger der Sendung hinter diesem Fenster. Wartete, dass seine
beschissene Schale auf die Sekunde genau an der Tür abgegeben wurde. Wartete
darauf, dass der Mann im Auto einen Fehler machte und er das Geschäft platzen
lassen konnte. Aber er würde keinen Fehler machen. Er sah auf das Display der
Uhr im Armaturenbrett und verglich die Zeit noch einmal mit der seiner
Armbanduhr.
    Endlich. Die letzte Minute war angebrochen. Der Mann öffnete die
Fahrertür, stieg aus, nahm das Päckchen und ging mit langsamen Schritten auf
das Haus zu. Er rechnete mit allem. Er hatte einen Stift zur Prüfung der
Scheine dabei. Und in seiner Jackentasche steckte eine Gaspistole. Er spürte
sie bei jeder Bewegung. Sie gab ihm Sicherheit. Er drückte den Klingelknopf. Im
selben Moment wurde die Tür geöffnet. Der Mann war erstaunt, denn eine Frau
stand vor ihm.
    »Gut, dass Sie pünktlich sind«, sagte sie. »Haben Sie die Ware?
    »Ja«, sagte der Mann. »Haben Sie das Geld?«
    * * *
    Johannes Winkens verließ den Borussia-Park um fünf nach zehn. Das
Freitagabendspiel der Bundesliga war noch nicht zu Ende, aber die Borussia lag
hoffnungslos zurück, und er konnte die Schmährufe und Jubelgesänge der Kölner Fans
nicht länger ertragen. Der Höhepunkt der Saison war wieder einmal gründlich
danebengegangen. Winkens stieg langsam die grauen Betontreppen hinab und kam in
den Vorbereich, wo es nach Bier und Würstchen roch. Er ging weiter, verließ den
inneren Bezirk des Stadions, trat durch das weit offen stehende Tor und
steuerte auf sein Auto zu.
    Schon von Weitem sah er, dass jemand neben seinem Wagen stand. Er
schob die Hände in die Taschen seines hellen Trenchcoats und schloss die Faust
um den Schlüsselbund. Die Borussia hatte sich in der zweiten Halbzeit kampflos
den Geißböcken ergeben. Er würde das nicht tun. Was auch immer die Gestalt von
ihm wollte, er würde sich nicht einschüchtern lassen und notfalls zuschlagen.
    Im selben Augenblick erkannte er Thomas Schelling. Der Anblick
überraschte Winkens, denn seit dem Vatertag hatte er nichts mehr von Schelling
gehört, obwohl er mehrfach versucht hatte, ihn zu erreichen. Sofort keimte in
Winkens die Hoffnung, den Graben, den er durch sein fatales Geständnis in der
Hütte aufgerissen hatte, durch ein klärendes Gespräch wieder zuschütten zu
können. Allerdings erlosch dieser Hoffnungsschimmer, als er in das finstere
Gesicht von Thomas Schelling schaute, und seine Hand krallte sich automatisch
fester um die Schlüssel in seiner Manteltasche.
    »Thomas«, sagte er, als er das Auto erreicht hatte. »Das ist aber
eine Überraschung! Seit wann interessierst du dich für Fußball?«
    »Ich bin deinetwegen hier«, sagte Schelling.
    »Und woher wusstest du, dass du mich hier finden würdest?«
    »Ein Borussia-Fan mit Dauerkarte im VIP -Bereich
lässt sich das Spiel gegen den FC nicht entgehen«, sagte Schelling. »Das ist für Leute wie dich doch das Höchste
der Gefühle, habe ich mir sagen lassen. Und was dein Auto angeht, da musste ich
nur nach dem Kennzeichen mit dem Kürzel deines Namens Ausschau halten. Du bist
der Wichtigtuer geblieben, der du immer schon warst.«
    »Nun mal langsam«, sagte Winkens. »Bist du gekommen, um mir das zu
sagen?«
    »Ich will mit dir reden«, sagte Schelling.
    »Das tun wir.«
    »In Ruhe.«
    »Und worüber?«
    »Das weißt du ganz genau.«
    »Gut. Dann lass uns irgendwohin fahren, wo wir unsere Ruhe haben.«
    Johannes Winkens entriegelte das Auto. Im Hintergrund war das
Rumoren und Gepfeife des Publikums zu hören; viele Zuschauer strömten bereits
zu ihren Autos, um nach der Enttäuschung des Spiels nicht ein zweites Mal durch
einen Stau genervt zu werden. Einen Moment zögerte Winkens einzusteigen. Er
hatte das Gefühl, einen Fehler zu machen, aber er sah keine Möglichkeit, ihn zu
vermeiden. Er zog den Fan-Schal vom Hals und warf ihn auf die Rückbank. Dann
klemmte er sich hinter das Lenkrad.
    »Du solltest nicht nur zuschauen«, sagte Schelling, als sie im Auto
saßen.
    »Was soll das heißen?«
    »Du bist ziemlich fett geworden. Du solltest an deine Gesundheit
denken und dich mehr bewegen.«
    Winkens schaute Thomas Schelling zum ersten Mal genauer an. Der
hatte gut reden. Er war immer ein Hänfling gewesen und hatte sich verdammt gut
gehalten. Er wirkte

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