Falsche Väter - Kriminalroman
Mann ist ein überaus konsequenter Mensch. Er
ist sehr ehrlich mir gegenüber gewesen, von Anfang an. Deshalb respektiere ich
ihn auch. Ich weiß, dass ich mich hundertprozentig auf ihn verlassen kann. Er
hat mir seine Einstellung vor unserer Ehe deutlich gemacht. Ich wusste, was auf
mich zukam beziehungsweise nicht zukam, als ich ihn heiratete. Es hat gewisse
Vorteile, einen Mann an seiner Seite zu haben, der einen nicht ständig
bedrängt. Es gibt erheblich weniger Probleme.«
Van de Loo sagte nichts. Der intime Bericht von Frau Schelling
irritierte ihn einigermaßen. Er betrachtete ihr Gesicht. Ihr Blick war klar,
wie der eines Mädchens.
»Ich glaube, Sie können das nicht verstehen«, fuhr sie fort. »Mein
Mann ist Lehrer. Von ganzem Herzen. Ein Pädagoge, der die Kinder wirklich liebt
und sich Sorgen um sie macht. Sie glauben ja nicht, wie oft die Kids hier
anrufen und ihn um Rat fragen!«
In diesem Augenblick kam Thomas Schelling vom Joggen zurück. Van de
Loo hörte, wie er die Haustür sachte ins Schloss zog, den Schlüssel ablegte und
die Laufschuhe auszog. Dann stand er im Raum. Er war nicht besonders groß, aber
man sah ihm an, dass er jeden Tag etwas für seinen Körper tat. Er trug eine
weiße Jogginghose und ein ausgewaschenes T-Shirt. Sein Gesicht war kantig,
seine Augen stechend. Sein Atem ging ruhig und gleichmäßig, und er schien beim
Laufen nicht geschwitzt zu haben.
»Guten Tag«, sagte er und reichte van de Loo die Hand. Er hatte
einen kräftigen Händedruck, sein Gesicht zeigte keinerlei Regung.
»Das ist Herr van de Loo«, sagte seine Frau. »Er möchte mit dir
sprechen.«
»Worüber?«, fragte Schelling und sah van de Loo unverwandt an.
»Worüber wollen Sie mit mir sprechen?«
»Über die beiden Toten«, sagte van de Loo. »Und über Ihr Verhältnis
zu ihnen.«
Thomas Schelling flüsterte seiner Frau etwas zu, und sie verschwand
augenblicklich aus dem Wohnzimmer. Schelling nahm van de Loo gegenüber Platz.
Er schlug die Beine lässig übereinander und strich sich mit der Hand kurz über
die Lippen. Seine Finger waren so feingliedrig, dass der Ehering dabei hin und
her rutschte.
»Ich habe zu den Leuten kein Verhältnis mehr«, sagte er. »Ich habe
Hubert, Theo und auch Johannes seit Monaten nicht mehr gesehen. Und ich habe
nicht das geringste Bedürfnis, das zu ändern.«
»Tote sind grundsätzlich kein schöner Anblick«, entgegnete van de
Loo. »Und das gilt für Ihre beiden Jugendfreunde im besonderen Maße.«
»Die näheren Umstände interessieren mich nicht. Schon eher
interessiert mich, was Sie mit den beiden Mordfällen zu tun haben. Sie sind
kein Polizist oder Kriminalbeamter. Die benehmen sich anders. Was also führt
Sie zu mir?«
»Ich recherchiere privat«, sagte van de Loo.
»In wessen Auftrag?«
»Johannes Winkens bezahlt mich.« Van de Loo sah ein kurzes Zucken in
Schellings Gesicht. Nur für den Bruchteil einer Sekunde, dann hatte er sich
wieder unter Kontrolle. »Außerdem habe ich noch ein ganz persönliches Interesse
an der Aufklärung der Morde. Anna stand eine Zeit lang unter Mordverdacht. Sie
lebt seit der Geschichte in der Hütte bei uns und möchte natürlich wissen, wer
ihren Onkel umgebracht hat.«
»Anna Lechtenberg lebt bei Ihnen?« Thomas Schelling blieb vollkommen
gelassen. »Das ist gut. Ich glaube, Sonja war mit den Erziehungsaufgaben in
letzter Zeit überfordert. Und bei Ihnen ist Anna sicher in guten Händen. Ich
gehe jedenfalls davon aus.« Er lächelte. »Und wie geht es Sonja?«
»Ich habe dafür gesorgt, dass sie einige Tage im Krefelder
›Nordbahnhof‹ wohnen und sich erholen kann.«
»Das freut mich«, sagte Schelling.
»Warum haben Sie sich mit Ihren Freunden überworfen, Herr
Schelling?«
»Sie haben mich enttäuscht. Jeder auf seine Weise.«
»Können Sie das präzisieren?«
»Können wohl. Wollen nicht.«
»Warum nicht?«
»Weil ich der Ansicht bin, dass Sie das nichts angeht.«
»Gut. Dann eine andere Frage: Wo waren Sie am Freitag letzter Woche?
Und an dem Abend, an dem Hubert Moelderings ermordet wurde?«
»Wo waren Sie denn?«, fragte Schelling zurück.
»Freitagnacht war ich im Bett«, sagte van de Loo. »Und Dienstagabend
bei Moelderings auf dem Hof.«
»Da sehen Sie es. Ich war an beiden Tagen im Bett.«
»Kann Ihre Frau das bezeugen?«
»Meine Frau?« Thomas Schelling lächelte nachsichtig. »Wir haben
getrennte Schlafzimmer. Und ich schnarche nicht so laut, dass sie mich hören
könnte.«
Er stand auf. Es
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