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Falscher Ort, falsche Zeit

Falscher Ort, falsche Zeit

Titel: Falscher Ort, falsche Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Mosley
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haben wollten, und ich habe in der Highschool Kurse in Verwaltung gemacht.«
    Ich öffnete die Tür und machte ihr ein Zeichen einzutreten.
    »Hast du vor, aufs College zu gehen?«, fragte ich.
    »Das ist wunderschön!« Sie meinte den Empfangsraum zu meiner Bürosuite.
    Darin standen ein grauer Schreibtisch und drei Aktenschränke aus Kirschholz. Die Wände waren in einem subtilen Graublau gestrichen, und durch das Doppelfenster blickte man nach New Jersey.
    Auf dem Schreibtisch stand sogar ein kleines Plastikschild mit dem Aufdruck EMPFANG .
    »Aber Twill hat doch gesagt, dass Sie noch nie eine Sekretärin hatten«, sagte sie.
    »Hatte ich auch nicht. Aber ich wollte immer eine. Esist bloß so, dass ich bei der Arbeit, die ich mache, jemanden brauche, der bereit ist, sich ein bisschen mehr anzustrengen. Ich meine, es ist nicht leicht, für jemanden wie mich zu arbeiten.«
    Mardi strich mit blassen Fingern über das weiße Holz.
    »Ich hätte diesen Job wirklich gern, Mr. McGill. Mrs. Alexander, die Frau in der Wohnung unter uns, hat gesagt, sie würde auf Marlene aufpassen, wenn es mal später wird, und ich weiß, was für eine Arbeit Sie machen.«
    »Wie alt bist du, Mardi?«
    »Ich bin im Mai achtzehn geworden.«
    Als ich an die Grausamkeiten und Erniedrigungen dachte, die Twills Freundin erlitten hatte, musste ich an die Worte meines Vaters denken: Eine Tragödie formt oder bricht den Willen des Proletariats .
    Als Twill mich am Abend zuvor gefragt hatte, hatte ich vorgehabt, das Kind zu Aura abzuschieben. Aber jetzt konnte ich mir nicht vorstellen, mit meiner Ex zu reden. Und wenn ich die Entschlossenheit in Mardis Gesicht sah, glaubte ich, dass sie vielleicht wirklich für einen Job wie diesen gemacht war.
    »Versuchen wir es«, sagte ich. »Über Arbeitszeit und Bezahlung reden wir später. In der unteren Schreibtischschublade ist ein Laptop, an der Wand findest du einen Internetanschluss. Warum richtest du dich nicht erst mal ein?«
    Ich ging zu der feuersicheren Tür zu den eigentlichen Büros und gab einen Code in das Tastenfeld ein.
    »Für diese Tür gibt es einen Code«, sagte ich, bevor ich eintrat. »Wenn du zwei Wochen durchhältst, gebeich ihn dir. Heute lasse ich die Tür einfach unabgeschlossen, falls du mich irgendwas fragen möchtest. Ach ja, und noch was, jedes Mal wenn du das Büro betrittst, machen drei versteckte Kameras etwa acht Minuten lang Aufnahmen. Nur damit du Bescheid weißt.«
    Ich ließ das Mädchen an die Decke starrend zurück, wo sie die geheimen Augen suchte.
     
    Mein Schreibtisch aus Ebenholz steht vor einem Fenster nach Süden mit Blick auf Lower Manhattan. Es war ein klarer Tag, so dass man in der Ferne die Freiheitsstatue ausmachen konnte.
    Ich hörte meine Mailbox ab, doch der knurrende Bär von vorhin hatte keine Nachricht hinterlassen.
    Eine Zeit lang zählte ich meine Atemzüge, kam bis zehn und fing wieder von vorne an. Nach etwa einer Viertelstunde rief ich die Auskunft an und ließ mich weiterverbinden.
    »Oxford Arms«, meldete sich eine strenge Frauenstimme.
    »Mr. Strange, bitte.«
    »Einen Moment«, sagte sie, als wäre ich nur auf der Welt, um sie zu ärgern, und dann: »Bei uns wohnt kein Mr. Strange.«
    »Tatsächlich? Er hat mir gesagt, ich könne ihn dort jederzeit anrufen. Vielleicht können Sie mir sagen, unter welcher Nummer ich ihn erreichen kann.«
    »Warten Sie bitte«, sagte sie und schaffte es, durch das Klicken, mit dem sie mich in eine Warteschleife schickte, ihrer Empörung Ausdruck zu verleihen.
    Vierzig Sekunden später war sie wieder da. »Mr.Strange ist heute Morgen abgereist. Er hat keine Nachricht hinterlassen.«
    Ich stutzte und fragte mich, was diese Wendung für meine Geschäftsbeziehung zu Rinaldo bedeutete.
    »Wäre das dann alles?«, fragte die Frau.
    »Sollten Sie nicht höflich sein oder so?«
    Die Dame legte auf.
     
    Ich hätte erleichtert sein sollen. Wenn Strange weg war, konnte das nur bedeuten, dass die Ermittlung beendet war, worum es dabei auch gegangen sein mochte.
    Aber wenn man mit Rinaldo zu tun hatte, waren lose Enden nie gut.
    Ich loggte mich in die New-York-News-Suchmaschine ein, die der Computer-Magier Tiny »Bug« Bateman für mich entwickelt hatte. Mit diesem eigens für mich geschriebenen Programm kann ich verschiedene Presseberichte über bestimmte Verbrechen und Täter zusammenführen – sogar eine spezielle Polizei-Website wird unter Verwendung von Schlüsselbegriffen aus Zeitungs- und Agenturmeldungen

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